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Politik in Europa AfD und Co. – Einbinden oder ausgrenzen?

Die Wahlerfolge rechtsnationaler Parteien lösen auch Sorgen aus. Die Reaktionen darauf fallen je nach Land anders aus. Ein Überblick.

AfD, FPÖ, Schwedendemokraten: Mit dem Aufstieg der neuen Rechten in Europa wächst bei vielen die Sorge, die Demokratie könnte gefährdet sein. Sie fürchten, dass demokratische Grundrechte angegriffen werden könnten – etwa der Schutz von Minderheiten oder die Gewaltenteilung.

Vielerorts steht man deshalb vor der Grundsatzfrage: Einbinden oder ausschliessen? Die Antwort fällt unterschiedlich aus.

Deutschland: Brandmauer gegen rechts

Auf Bundesebene bleibt der AfD bislang nur die Zuschauerrolle. Weil die Partei in Teilen als staatsfeindlich und als rechtsextrem eingestuft wird, ist für viele klar: Gegen sie braucht es eine Brandmauer. Hintergrund dieser Haltung ist die historische Erfahrung, dass die demokratisch-gewählte Nazi-Partei NSDAP einst die Demokratie abschaffte.

Hand hält Pappschild mit der Aufschrift 'No AfD'.
Legende: Der Widerstand gegen die AfD wird in Deutschland immer wieder auf die Strasse getragen; wie hier an einer Veranstaltung unter dem Motto «Klare Kante gegen rechts» in Aachen im letzten Oktober. KEYSTONE/DPA/Christoph Schmidt

Markus Wagner, Wahlforscher an der Universität Wien, sieht die Grenzen dieser Strategie erreicht. «Es wird für die anderen Parteien schwieriger, weil die AfD mittlerweile sehr gross ist.» Sie würden immer neue Kompromisse eingehen – und damit Gefahr laufen, die Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler mit dem System weiter zu schüren und diese «noch mehr in Richtung AfD zu treiben».

Österreich: Die Suche nach Kompromissen

In Österreich will FPÖ-Parteichef Herbert Kickl «aufräumen». Er schwärmt für illiberale Systeme wie Ungarn und greift Minderheiten an. Auch darum hatten ihn die anderen Kräfte versucht zu verhindern. Doch nun wurde er mit der Regierungsbildung beauftragt. Ein Schritt, der Unbehagen auslöst.

Bundespräsident van der Bellen drückte dieses bei der Bekanntgabe des Auftrags an Kickl wie folgt aus: «Dieser Schritt ist mir nicht leicht gefallen. Ich werde weiter drauf achten, dass die Grundsätze und Regeln unserer Verfassung korrekt eingehalten werden.»

Herbert Kickl wird sich mässigen und auf die Mitte zugehen müssen, damit die FPÖ ein Teil des politischen Mainstreams in Österreich werden kann.
Autor: Markus Wagner Wahlforscher an der Universität Wien

Allerdings: In mehreren Bundesländern ist die FPÖ längst an der Regierung beteiligt – in der Steiermark gar mit dem Landeshauptmann. Ein möglicher Bundeskanzler Kickl dürfte sich dennoch vom Parteichef Kickl unterscheiden, prognostiziert Wahlforscher Wagner. «Er wird sich mässigen und auf die Mitte zugehen müssen, damit die FPÖ wirklich ein Teil des politischen Mainstreams in Österreich werden kann.»

Der weitere Blick: Eine neue europäische Realität

Mit ihrer Skepsis gegenüber rechtsnationalen Parteien bilden die beiden Länder in Europa eine Minderheit. Üblicher ist geworden, was in den Niederlanden passiert ist: Hier versuchten die etablierten Kräfte jahrelang Geert Wilders von der Macht zu halten. Das war nach seinen haushohen Sieg 2023 nicht mehr praktikabel, seine Freiheitspartei wurde in die Regierung eingebunden.

In Schweden stützen die Schwedendemokraten seit 2022 die Regierung und reden mit. Es kommt zwar zu Grundsatzdebatten, doch die Institutionen stehen noch. Ähnliches liess sich in Italien nach dem Wahlsieg von Giorgia Meloni von den Postfaschisten beobachten.

Es braucht eine starke Zivilgesellschaft, die aufpasst, dass die Spielregeln eingehalten werden.
Autor: Markus Wagner Wahlforscher an der Universität Wien

Was braucht es also, damit der Volkswille respektiert und gleichzeitig die Grundfesten der Demokratie gesichert bleiben? Laut Wahlforscher Wagner müssen sich die aufstrebenden rechtsnationalen Parteien klar und deutlich von demokratiefeindlichen Aktionen distanzieren. «Und es braucht eine starke Zivilgesellschaft – so wie in der Schweiz oder in Österreich – die wirklich aufpasst, dass die Spielregeln eingehalten werden und dass es kein Abdriften Richtung Autoritarismus gibt.»

10vor10, 09.01.2025, 21:50 Uhr ; 

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