Worum geht es? In Nicaragua wirbelt eine Schönheitskönigin die Politik auf. Miss Universe Sheynnis Palacios, eine Nicaraguanerin, lebt seit Anfang Jahr im Exil in New York. Dies, weil der öffentliche Jubel in den Strassen Nicaraguas, der ihr nach der Wahl zur schönsten Frau des Universums zufiel, dem Machthaber Daniel Ortega missfiel. Jetzt mussten sogar Palacios Angehörige das Land verlassen, sie selber darf nicht mehr in ihr Heimatland einreisen. So hat es der 78-jährige Präsident verordnet.
Warum reagiert Ortega so? «Seit den Protesten von 2018 sieht Ortega hinter jeder Menschenansammlung eine Verschwörung», sagt die in Mexiko lebende Journalistin Sandra Weiss. Als dann der nicaraguanische Geheimdienst alte, aus dem Jahr 2018 stammende, inzwischen aber gelöschte Facebook-Posts der Schönheitskönigin fand, in denen sie die Proteste unterstützte, «da schrillten die Alarmglocken». Palacios zog daraufhin nach New York zu ihrer Mutter, inzwischen haben auch ihr Bruder und ihre Grossmutter Nicaragua in Richtung USA verlassen, wofür sie ein Visum aus humanitären Gründen erhielten.
Wofür steht Palacios? Es ist unbestritten, dass die Schönheitskönigin in ihrer Studienzeit 2018 an den Protesten gegen die Herrschaft Ortegas teilgenommen hat – wie Hunderttausende andere Nicaraguanerinnen und Nicaraguaner. Politisch hat sich Palacios seither aber kaum geäussert. Allerdings trug sie beim Galaabend ein Kleid in Nicaraguas Nationalfarben hellblau und weiss. Weil diese Farben aber seit 2018 ein Symbol der Proteste sind, hat Ortega sie verboten – er selber nutzt jetzt bei Auftritten die schwarz-rote Flagge der Sandinisten. Ausserdem widmete Palacios den Sieg nicht Ortega, sondern dem nicaraguanischen Volk. «Das ist verdächtig», so Weiss.
Der Ortega-Clan lebt in seinem Villen- und Bunkerkomplex – völlig von der nicaraguanischen Realität abgekoppelt.
Wovor fürchtet sich Ortega? «Er weiss, dass er sehr unbeliebt ist und ihn die Bevölkerung gerne loswerden würde», sagt die Journalistin. Das führe dazu, dass Ortega – wie viele andere Diktatoren auch – überall Verschwörungen sehe. Immer wieder komme es zu Säuberungen, auch unter seinen Mitarbeitern. Und so lebt der Ortega-Clan abgeschottet in einem riesigen Villen- und Bunkerkomplex in der Hauptstadt Managua. Dort befindet sich auch die sandinistische Parteizentrale, es gibt einen Sportplatz oder Fernsehstudios. «Der Clan lebt dort und ist völlig von der nicaraguanischen Realität abgekoppelt», sagt Weiss. Der angeblich an Lupus erkrankte Ortega ist dabei nur noch selten zu sehen. In die Bresche springt seine Frau, die auch Vizepräsidentin des Landes ist.
Was bedeutet das für Nicaragua? «Ortega hat einen Polizeistaat errichtet, politische Äusserungen sind kaum mehr möglich», stellt die Journalistin fest. Alle kritischen Medien hätten das Land verlassen müssen. Tausende NGOs und auch viele Universitäten wurden geschlossen, missliebige Personen wurden ausgebürgert, Menschenrechtler massenweise verhaftet. Und: Inzwischen ist der korrupte Ortega-Clan zu einer Wirtschaftsmacht im Land geworden: Er verwaltet die Medien samt Werbeagenturen, Kulturevents sind in seiner Hand, aber auch der Handel mit Erdöl und Benzin. Nicaragua befindet sich im eisernen Griff der Ortega-Diktatur. «Die Lage für die Nicaraguanerinnen und Nicaraguaner ist dramatisch», so Weiss.