Rund fünf Prozentpunkte hat Präsident Emmanuel Macron seit Beginn des Ukraine-Kriegs in den Umfragen zugelegt. Er liegt kurz vor dem ersten Wahlgang am 10. April deutlich vor seiner stärksten Herausforderin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Macron könne sich nun als Landesvater inszenieren und erfülle diese Rolle vorzüglich, sagt Felicie Notter, SRF-Sonderkorrespondentin für die Frankreich-Wahlen: Macron hält seine Rolle als Kandidat bewusst klein und profitiert davon, dass er eigentlich eine Nicht-Kampagne führt. Bewusst hatte er seine allseits erwartete Kandidatur erst im letzten Moment angekündigt. Um dann gleich zu erklären, er werde aufgrund des Kriegs keinen normalen Wahlkampf führen können.
So gibt es mit seiner Anhängerschaft nur ein grosses Meeting Ende nächster Woche. Daneben setzt Macron auf wenige, kleine Auftritte und die sozialen Medien, wo er sich in einer Video-Serie à la Netflix direkt an die Wählerschaft wendet. Macron nimmt bis zum ersten Wahlgang an keinen Debatten teil. Amtierende Präsidenten hätten das immer so gehandhabt, entgegnete er dem Vorwurf, er weiche so der Kritik an seiner Amtsführung aus.
Was bleibt den anderen?
Die anderen elf Kandidierenden werden damit weitgehend auf die Nebenschauplätze verwiesen. Insgesamt tragen die meisten die Sanktionen gegen Russland mit, mit ein paar Nuancen. Umstritten sind da eher Macrons Massnahmen im Innern zu Abfedern der Kriegsfolgen. Doch anfänglich mussten bekanntlich die Putin-Versteher zurückbuchstabieren. Allen voran Marine Le Pen und Eric Zemmour, wobei das der Rechtspopulistin erstaunlicherweise wenig geschadet habe, stellt Notter fest.
Hohe Benzinpreise
Bereits seit Herbst ist die sinkende Kaufkraft im Sorgenbarometer auf Platz eins der Franzosen und wurde auch vom Ukraine-Krieg nicht verdrängt. Der Krieg verstärkt nun den Druck aufs Portemonnaie. Macron hat für die breite Bevölkerung ab dem 1. April einen Rabatt von 15 Cent pro Liter Benzin an der Zapfsäule angekündigt. Neun Tage vor dem ersten Wahlgang. Kein Wunder also, dass Macron-Kritiker darin ein Wahlkampfmanöver sehen.
Zugleich wird von Macron erwartet, dass er handelt. In seinem «Plan de résilience» zur Stärkung der Wirtschaft angesichts des Kriegs hat er Massnahmen für verschiedene Wirtschaftszweige angekündigt. Trotzdem ist es in den letzten Tagen in verschiedenen Regionen bereits zu Strassenblockaden als Protest gegen die hohen Energiepreise gekommen. Wegen der Benzinpreise begannen schon 2018 die Gilet-Jaunes-Proteste.
Dynamik für Mélenchon?
Laut den aktuellen Umfragen dürfte es eine Stichwahl zwischen Macron und Le Pen geben. Denn die traditionellen grossen Parteien stehen nach wie vor schlecht da: Die Sozialistin und Bürgermeisterin von Paris Anne Hidalgo steckt seit längerem auf tiefem Niveau fest. Auch die Kandidatin der ehemaligen Regierungspartei «Les Républicains», Valérie Pécresse, bleibt im Abwärtstrend. Und Rechtsaussen Éric Zemmour scheint seine besten Tage der Kampagne hinter sich zu haben.
Überraschend ist es Jean-Luc Mélenchon von der radikal Linken mit «La France insoumise» gelungen, eine positive Dynamik aufzubauen. Er ist seit ein paar Tagen auf dem dritten Platz hinter Le Pen. Er hofft nun auf eine strategische Wahl der Französinnen und Franzosen, damit er den zweiten Wahlgang schafft. Vor fünf Jahren war er nur knapp hinter Le Pen geblieben. Die grosse Unbekannte ist, wem die Stimmenthaltung am meisten schadet. Denn am 10. April wird eine rekordtiefe Wahlbeteiligung erwartet.