Zum Inhalt springen

Probleme bei Geldauszahlung Leben als Flüchtling in Griechenland – ohne Nothilfe

Seit Mai haben die Asylsuchende in den Camps ihr Geld nicht mehr erhalten – viele geraten deshalb in Probleme.

Dem Afghanen Ahmad, seiner Frau und seiner kleinen Tochter stehen 160 Euro pro Monat zu. Die Familie lebt in einem abgelegenen Flüchtlingscamp auf dem griechischen Festland, etwa 80 Kilometer von Athen entfernt. Obwohl die Familie nach wie vor Anspruch auf die Geldhilfe hat, hätten sie seit Monaten keinen Cent mehr bekommen, sagt Ahmad.

Knapp zwei Euro pro Tag und Person

Box aufklappen Box zuklappen

Aktuell leben rund 15'000 Menschen in griechischen Flüchtlingslagern und warten auf ihren Asylbescheid. Sie alle haben Anspruch auf Geldhilfe im Rahmen des «Cash-Assistance-Programms» der EU. Das Geld, um Basisbedürfnisse zu decken, kommt aus Brüssel. Es geht um monatlich zwischen 75 Euro für eine Einzelperson und 210 Euro für eine Familie mit mindestens zwei Kindern.

«160 Euro ist vielleicht wenig Geld – aber für uns bedeutet es die Welt», sagt er. Sie hätten den Betrag vor allem für Transportkosten ausgegeben – um ins Spital zu gelangen oder zur Asylbehörde in Athen. Seine Frau sei von der Flucht traumatisiert, vor zehn Monaten habe sie eine Psychotherapie begonnen.

Wir können uns die Medikamente für meine Frau nicht mehr leisten.
Autor: Ahmad Flüchtling aus Afghanistan

«Doch ohne die staatliche Geldhilfe konnte sie in den letzten Monaten nicht zu den Sitzungen fahren. Und die Medikamente, die ihr verschrieben wurden, konnten wir uns auch nicht leisten», klagt Ahmad. Er und seine Familie sind kein Einzelfall.

Seit Mai hat niemand Geld erhalten

Probleme mit der Geldhilfe für Geflüchtete gibt es immer wieder. Mal verspätet sich die Auszahlung oder neu registrierte Asylsuchende warten monatelang, bis sie zum ersten Mal Geld erhalten. Dieses Mal aber seien alle Geflüchteten landesweit betroffen, sagt Minos Mouzourakis, Rechtsanwalt bei der Hilfsorganisation Refugee Support Aegean. Alle hätten seit Mai kein Geld mehr erhalten.

«Systemische» und «bürokratische» Probleme

Box aufklappen Box zuklappen

Das griechische Migrationsministerium bestätigte auf Anfrage, dass es seit Mai Probleme mit der Zahlung der Geldhilfe gibt. Es begründet dies mit «systemischen und bürokratischen Problemen, die zwischen den Verwaltungsbehörden und dem für die Tätigung der Zahlungen zuständigen Vertragspartner entstanden sind».

Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Minos Mouzourakis von Refugee Support Aegean wundern die Worte «systemisch» und «bürokratisch» nicht. Genau das sei die Ursache vieler Probleme in der griechischen Flüchtlingspolitik, sagt er.

«Und dabei ist Griechenland laut EU-Recht dazu verpflichtet, diese Geldhilfe zu gewähren», betont er. «Griechenland muss diesen Menschen neben einer Unterkunft auch einen Geldbetrag geben, damit sie ihre wichtigsten Bedürfnisse decken können.»

Private Organisationen involviert

Die Finanzierung seitens der EU für die Hilfsprogramme sei gegeben, so Mouzourakis. «Aber es liegt an Griechenland, dafür zu sorgen, dass alles reibungslos verläuft und es keine Unterbrechungen gibt.»

Vor allem, wenn noch Partnerorganisationen involviert seien, wie es in der Flüchtlingspolitik oft der Fall sei, könnten aber Probleme zwischen dem Staat und der Organisation auf die Flüchtlinge weitergetragen werden, betont er. Das sei etwa dann der Fall, wenn die Mitarbeitenden nicht rechtzeitig bezahlt würden. Da könne es vorkommen, dass Partnerorganisationen sogar vorübergehend ihre Arbeit einstellten.

Ich werde einen neuen Termin für meine Frau beim Psychologen machen und ihr ihre Medikamente kaufen.
Autor: Ahmad Ehemann und Vater einer Tochter

Leidtragende sind am Ende die Geflüchteten. Die EU müsste da strenger durchgreifen und könnte Griechenland sogar vor den Europäischen Gerichtshof zerren, sagt der Rechtsanwalt. Schliesslich breche die griechische Regierung europäisches Recht, wenn sie ihre Verpflichtungen gegenüber den Asylsuchenden nicht einhalte.

Bald soll das Geld wieder bezahlt werden

Inzwischen gibt das griechische Migrationsministerium Entwarnung: Die Probleme seien behoben, die ersten Geldbeträge sollen in den nächsten Tagen ausbezahlt werden. Der Afghane Ahmad weiss bereits, was er mit dem Geld machen wird: Winterkleidung für Ehefrau und Tochter kaufen.

«Ausserdem werde ich einen neuen Termin für meine Frau beim Psychologen machen und ihr ihre Medikamente kaufen. Ich lebe in der Hoffnung, das ausstehende Geld nachträglich zu bekommen.»

Doch alle Monatsbeträge seit Mai wird Ahmad nicht auf einmal bekommen. Das Ministerium will als Erstes die Monate Mai und Juni auszahlen. Ahmad würde also 320 Euro bekommen. Nach und nach soll dann auch das Geld für die restlichen Monate fliessen.

Rendez-vous, 15.10.2024, 12:30 Uhr

Meistgelesene Artikel