Nebst fünf Meter hohen Stahlzäunen und Wärmebildkameras, die Migrantinnen und Migranten auch bei Nacht und Nebel aufspüren, werden in Griechenland jetzt auch sogenannte Schallkanonen eingesetzt. Lärm- oder Schallkanonen sind elektrische Geräte, im Grunde wie riesige Lautsprecher.
Vor allem im Nahbereich bis etwa 500 Meter Entfernung können sie extremen Lärm, schrill und unangenehm, erzeugen. Wie den Lärm eines Flugzeugmotors könne man sich das vorstellen, erklärt Migrationsexpertin Jutta Lauth Bacas.
Lärm verängstigt die Menschen
Der griechische Grenzschutz setzt sie im Norden an der Landgrenze zur Türkei ein. Auf der griechischen Seite patrouillieren jede Nacht der Grenzschutz oder die Frontex-Beamten. Sie beobachten laut Jutta Lauth Bacas mit Wärmebildkameras, ob sich jemand von der türkischen Seite aus der Grenze und dem Grenzfluss nähert.
Um zu verhindern, dass die Menschen über den Fluss auf die griechische Seite übertreten, kämen diese Schallkanonen zum Einsatz, so Lauth Bacas. Die Menschen würden dadurch erschrecken, seien in der Dunkelheit irritiert und würden nicht auf die Lärmquelle zu-, sondern von ihr weglaufen.
Erst seit einigen Wochen ist bekannt, dass Griechenland auf diese Methode setzt. Bekannt wurde es durch Mitteilungen der griechischen Presse. Es habe natürlich sofort Proteste dagegen gegeben, sagt Lauth Bacas. «Es gibt von vielen Flüchtlingsorganisationen und Menschenrechtsorganisationen grosse Bedenken gegen diesen Einsatz.»
Die Kanonen seien nicht die einzige Abschreckung. Die Methoden würden sich immer wieder verändern. Lauth Bacas nennt ein anderes wichtiges Element der Abschreckung: die EU-Türkei-Vereinbarung. Die Türkei gilt als sicherer Drittstaat.
Somit können Migrantinnen und Migranten aus anderen Ländern – nicht aus der Türkei selbst –, die auf ihrer Flucht durch die Türkei gereist sind, aus Griechenland wieder zurückgeschickt werden. Dies gilt für den Grenzübertritt über die Ägäisinseln schon länger. Jetzt hat die griechische Regierung das Vorgehen aber auch auf Grenzübertritte an der Landgrenze ausgeweitet.
Die Verschärfung treffe auf keinen grossen Widerstand in der griechischen Bevölkerung. «Man denkt, das ist richtig, denn die Menschen sind nicht mehr direkt Kriegsbedrohungen ausgesetzt.» Auch der Zaun an der Landgrenze sei verlängert worden. Das werde in Griechenland auch deswegen akzeptiert, weil es im März 2020 die Konflikte mit der Türkei an der Landgrenze gab.
Die neuen Lärm- oder Schallkanonen sind ein Element, ein Puzzlestein in dem ganzen Mosaik.
Griechenland hatte damals die Grenzen geschlossen und ihre regulären Einreisen durch scharfe Massnahmen der Abwehr an der Grenze verhindert. Man beobachtet laut der Migrationsexpertin Lauth Bacas, dass die Grenzkontrollen zur Türkei von griechischer Seite aus verschärft und intensiviert werden. «In dem Sinne sind auch die neuen Lärm- oder Schallkanonen ein Element, ein Puzzlestein in dem ganzen Mosaik.»