Worum geht es? Die sozialen Medien spielen im Konflikt um die äthiopische Region Tigray eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: Am Dienstag verkündete Staatschef Abiy Achmed, er selbst werde die Streitkräfte an der Front kommandieren. Er könnte auch über das Staatsfernsehen kommunizieren. Trotzdem sind die sozialen Medien seine erste Wahl.
Wieso tut er das? Abiy Ahmed erreicht so auch ein internationales Publikum und seine Reichweite ist beachtlich: Auf Twitter, Facebook und Instagram folgen ihm fast fünf Millionen Leute. Er kann also direkt mit seinen Anhängern kommunizieren. Ausserdem sind die sozialen Medien schnell und praktisch, er kann einfach kurz ein Statement platzieren.
Was ist das Problem? Facebook hat kürzlich einen Post von Abiy Ahmed gelöscht. Anfang Monat hatte er geschrieben, die gegnerische Tigray-Befreiungsfront mit «allen Mitteln bekämpfen und beerdigen» zu wollen. Das liess Facebook erst stehen und entfernte den Eintrag später, weil er zu Gewalt aufrufe. «Mehrere Recherchen zeigen in diesem Konflikt, dass Facebook oft nicht agiert, sondern reagiert – und dies dann manchmal auch erst sehr spät», sagt SRF-Afrika-Korrespondent Samuel Burri.
Was macht die Gegenseite? Auch die Tigray-Vertreter nutzen die sozialen Medien. Besonders oft werden auf diesen Plattformen Falschinformationen über den Kriegsverlauf verbreitet. Es werden Fotos geteilt, welche Stadt, welches Dorf gerade eingenommen wurde. «Das macht es extrem schwierig, von aussen überhaupt den Kriegsverlauf zu verfolgen und herauszufinden, was genau passiert ist», so Burri.
Was sind die Auswirkungen? Ein besonders drastisches Beispiel ereignete sich im September: In der Nähe eines Dorfes in der Amhara-Region wurde ein Minibus überfallen. Auf Facebook schrieb daraufhin jemand, dass dieser Angriff von Terroristen der Kemant, einer ethnischen Minderheit, verübt worden sei. Darunter schrieb jemand, die Kemant müsse man ausrotten. «Dieser Kommentar ist heute noch da», weiss der Afrika-Korrespondent. «Er wurde von Facebook nicht entfernt.»
Dieses Misstrauen zwischen den Ethnien, das immer wieder aufbricht in Äthiopien, wird online noch befeuert.
Und tatsächlich: Am nächsten Tag wurde prompt das betreffende Dorf in der Nähe des Ortes, wo der Überfall stattfand, von Milizen und von einem wütenden Mob angegriffen, Häuser wurden niedergebrannt. Das sei symptomatisch, sagt Burri. «Dieses Misstrauen zwischen den Ethnien, das immer wieder aufbricht in Äthiopien, wird online noch befeuert.»
Wie reagieren die Plattformen? Die Propaganda in den sozialen Medien reicht von Desinformation bis Aufruf zu Hass und Gewalt. Eigentlich gäbe es bei Facebook und Twitter klare Regeln, wie man damit umzugehen hat. Teilweise werden Posts auch gelöscht, wenn sie gemeldet werden. Twitter hat zudem die sogenannte Trending-Funktion abgeschaltet, welche die beliebtesten Hashtags rund um Äthiopien zeigt.
Die sozialen Medien haben wenig Mittel und vielleicht auch wenig Interesse, ihre Nutzer auszubremsen.
«So will man wohl etwas die verstärkende Funktion des sozialen Netzwerks bremsen», glaubt Burri. Doch Facebook hat schon vor einem Jahr festgestellt, über zu wenig Leute zu verfügen, die Posts in Amharisch, der Landessprache Äthiopiens, überprüfen könnten. «Die sozialen Medien haben also wenig Mittel und vielleicht auch wenig Interesse, ihre Nutzer auszubremsen», so Burri. «Und das ist zum Beispiel in Äthiopien ein Dilemma und bisher ungelöst.»