Vor 40 Tagen ist in Iran die 22-jährige Kurdin Mahsa Amini nach der Festnahme durch die Sittenpolizei gestorben – nach der Verhaftung, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen hätte. Die landesweiten Proteste ebben seither nicht ab. In Aminis Heimatstadt Schaghes im kurdischen Gebiet im Nordwesten des Landes strömten am Mittwoch um die 10'000 Menschen trotz gesperrter Zufahrtsstrassen zu ihrem Grab.
In Iran wird nach dem Tod eines Familienmitglieds traditionell 40 Tage lange getrauert. Aktivisten hatten anlässlich des Trauertags erneut zu landesweiten Protesten aufgerufen. Augenzeugen und Menschenrechtsorganisationen berichteten von Schüssen auf die Menschenmenge, wobei über Verletzte oder Tote nichts bekannt ist, wie ARD-Korrespondent Uwe Lueb in Istanbul erklärt.
Anschlag auf Pilgerstätte im Westen
Was den blutigen Anschlag auf eine Pilgerstätte vom frühen Mittwochabend in der Millionenstadt Schiras mit mindestens 15 Toten betrifft, so gebe es offenbar keinen Zusammenhang mit den Protesten, sagt Lueb. Kurz danach hatte sich die Terrororganisation Islamischer Staat IS zur Tat bekannt. Also Sunniten des IS, welche die schiitische Anhängerschaft des Islam in Iran als abtrünnig betrachten.
Entsprechende Anschläge führe der IS allerdings eher in Afghanistan aus, im Iran sei das nicht besonders häufig. Irans Präsident Ebrahim Raisi verurteilte den Anschlag und kündigte eine konsequente Reaktion an.
Ein Verdacht steht im Raum
Dennoch gibt es Gerüchte in den sozialen Medien, wonach der Anschlag von Schiras staatlich inszeniert gewesen sei. Computerhacker veröffentlichten bereits vor geraumer Zeit Listen, welche Massnahmen der Sicherheitskräfte und der Revolutionsgarde zur Eindämmung der Proteste aufzeigen sollen.
Darin ist unter anderem die Rede davon, dass unter Umständen «interne Kräfte geopfert» werden müssten, um von den Protesten abzulenken. «Doch nach dem Bekenntnis des IS würde ich Stand jetzt ausschliessen, dass die Staatsführung etwas mit dem Anschlag zu tun hat», sagt Lueb.
Forderungen nach 40 Tagen Protest
Mittlerweile gehe es bei den Demonstrationen um das grosse Ganze, einen neuen Staat, sagt ARD-Korrespondent Uwe Lueb zu den anhaltenden Protesten: «Die Demonstrierenden wollen sich nicht mehr mit Reformen zufriedengeben. Sie wollen einen anderen Staat, eine säkulare Republik.»
Die Ablehnung des theokratischen Systems mit der übergeordneten Rolle der Religion vereine dabei vielleicht die Protestierenden. Über die künftige Staatsform, sofern es einmal dazu kommen sollte, seien sich die Gruppen – Republikaner wie Monarchisten – aber nicht einig.