Was ist passiert? Nachdem ihm die Fünf-Sterne-Bewegung wegen unterschiedlicher Ansichten zu Hilfsprogrammen infolge der Ukraine-Krise die Unterstützung entzogen hatte, reichte Ministerpräsident Mario Draghi am Donnerstag den Rücktritt ein – der von Staatspräsident Sergio Mattarella am Abend aber abgelehnt wurde. Jetzt versuchen die Mitte-links-Parteien, einen Weg zu finden, damit die Regierung Draghi weiterarbeiten kann. Zur Erinnerung: Die Regierung von Ex-EZB-Präsident Draghi ist – oder war – breit abgestützt: Sozialdemokraten, Zentrumsparteien, Fünf-Sterne, Forza Italia und sogar die rechte Lega arbeiten darin seit Mitte Februar 2021 mit.
Wie geht es politisch weiter? Die Regierung des 74-jährigen Draghi bleibt formell vorerst im Amt. Am nächsten Mittwoch soll – so ist aus Regierungskreisen in Rom zu hören – im Parlament über das weitere Vorgehen diskutiert und Möglichkeiten für Regierungsmehrheiten unter Draghi ausgelotet werden. Anschliessend soll sich Draghi erneut der Vertrauensfrage stellen. Die Sozialdemokraten und Zentrumsparteien möchten die Draghi-Regierung weiterführen, die rechtsextremen Fratelli d'Italia fordern sofortige Neuwahlen, womit sich auch die rechte Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia anfreunden könnten.
Was tun die Parteien? Derzeit laufen in Rom intensive Gespräche innerhalb und zwischen den Parteien – schliesslich soll Draghi laut Auftrag von Präsident Mattarella klären, ob er nicht doch eine Mehrheit der Parlamentarier hinter sich vereinigen kann. Im Fokus stehen vor allem die Fünf Sterne, welche mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung über das Hilfspaket die Regierungskrise ausgelöst hatten. Nach einer Sitzung am Donnerstagabend hiess es von deren Parteipräsident und Ex-Premierminister Guiseppe Conte immerhin, die Gespräche würden in den nächsten Tagen fortgeführt.
Kommt es zu Neuwahlen? Sollte Draghi keine solide Mehrheit hinbekommen, könnte Präsident Mattarella zunächst eine andere Person mit der Regierungsbildung beauftragen. «Dazu sind in Rom bereits einige Namen in Umlauf», sagt ARD-Korrespondentin Elisabeth Pongratz in Rom. Sollte auch dies scheitern, drohen vorgezogene Neuwahlen. Allerdings: Nächsten Frühling stehen sowieso reguläre Neuwahlen an. Ausserdem wollen derzeit nur die rechten Parteien vorgezogene Wahlen, sie erhoffen sich ein gutes Abschneiden, schliesslich liegen sie laut Umfragen in Front.
Draghi hat immer ruhig und konsequent seine Pläne umgesetzt und versucht, alle Parteien ins Boot zu holen.
Was würde Italien mit Draghi verlieren? «Vor allem Stabilität», sagt Pongratz. Seitdem die Regierung Draghi vor anderthalb Jahren übernommen hat, ist Italien wieder auf Kurs. «Draghi hat immer ruhig und konsequent seine Pläne umgesetzt und versucht, alle Parteien ins Boot zu holen.» Doch das sei in den letzten Monaten zunehmend schwieriger geworden, so die ARD-Korrespondentin. Das ist ein Problem für Italien, denn das Land muss zahlreiche Reformen umsetzen, um die Milliarden der EU aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu erhalten. Doch ohne Draghi wird das schwierig: «Wenn Draghi nicht mehr da ist, könnte es das Chaos bedeuten», so Pongratz.