Das ist passiert: Drei Monate nach der Parlamentswahl ist in Österreich der Versuch der Bildung einer Dreier-Koalition gescheitert. Die liberalen Neos verkündeten ihren Ausstieg aus den wochenlangen Koalitionsgesprächen mit der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ. Eine solche Koalition aus drei Parteien wäre eine Premiere in Österreich gewesen.
Bruch mit den Gewohnheiten: Die Gespräche waren auch ein Versuch, die rechte FPÖ von der Macht fernzuhalten. Ende September hatte die rechte Partei die Parlamentswahl gewonnen. Keine andere Partei hielt jedoch FPÖ-Chef Herbert Kickl selbst oder die FPÖ für regierungsfähig. Deshalb hatte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu einem Bruch mit den bisherigen Gewohnheiten entschlossen. Statt der stimmenstärksten Partei den Auftrag zur Bildung einer Regierung zu geben, erhielt die ÖVP die Gelegenheit dazu.
Darum ist Koalitionsbildung gescheitert: Knackpunkt der Verhandlungen war die Planung eines neuen Haushalts. Österreich steckt in einer Wirtschaftskrise und muss gleichzeitig streng sparen, um die EU-Kriterien für finanzielle Stabilität zu erfüllen. Die Balance zwischen einem Sparkurs und Massnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln, gilt als Hauptaufgabe einer neuen Regierung.
Rücktritt des Kanzlers gefordert: Das Scheitern der Dreier-Gespräche gilt als schwerer Schlag für Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer. Die FPÖ fordert seinen Rücktritt. Die Partei sieht sich in ihren Prognosen bestätigt – seit Monaten habe sie vor diesem «politischen Missgeburt der Verlierer-Ampel nach deutschem Vorbild» gewarnt, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Karl Nehammer habe diese Bedenken ignoriert.
Neuwahlen gelten als wahrscheinlichste Variante: Verschiedene Experten in Österreich halten eine sogenannte Experten- oder Übergangsregierung für wahrscheinlich. Und dann baldige Neuwahlen. In diesem Fall wäre Nehammer nicht automatisch als ÖVP-Spitzenkandidat gesetzt, meinte Polit-Berater Thomas Hofer zu der Agentur DPA. Die Personaldiskussion – inklusive einer Variante mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz – wäre eröffnet, sagte er weiter.
Das sagt SRF-Österreich-Korrespondent Peter Balzli: «Neben der ursprünglich geplanten Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos verfügen auch die beiden grossen Parteien ÖVP und SPÖ über eine hauchdünne Mehrheit von einem Sitz im Parlament. Damit könnten sie regieren. Aber es wäre eine sehr fragile Regierung. Die meisten Experten in Österreich halten daher eine Übergangsregierung für wahrscheinlicher. Und dann bald Neuwahlen. Das ist hochbrisant, denn: In den Umfragen führt die rechtsnationale FPÖ haushoch mit rund 35 Prozent – Tendenz steigend. SPÖ und ÖVP liegen bei knapp über 20 Prozent. Mit dem heutigen Tag sind die Chancen also enorm gestiegen, dass in Österreich bald Herbert Kickl, der Chef der rechtsnationalen FPÖ, Bundeskanzler wird.»
Die Herausforderung für die neue Regierung: Die Aufgaben einer neuen Regierung sind immens und setzen eigentlich eine weitgehend reibungslose Zusammenarbeit voraus. Das Rentensystem ist unterfinanziert, hohe Lohnabschlüsse belasten die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa sieben Prozent.