Nachdem Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der FPÖ zurückgetreten ist, kommt es Anfang September zu Neuwahlen in Österreich. Strache hatte sich in einem heimlich gedrehten Video bereit gezeigt, Staatsaufträge gegen Wahlhilfe zu vergeben. Doch wie kann das Land nun bis im Herbst weiterregiert werden? SRF-Korrespondent Peter Balzli mit einer Auslegeordnung.
SRF News: In Österreich finden im September Neuwahlen statt. Wie soll die Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ bis dahin funktionieren?
Peter Balzli: Kanzler Sebastian Kurz hat laut der Zeitung «Die Presse» gesagt, entweder würde der Innenminister Herbert Kickl seinen Posten räumen, oder alle Minister der FPÖ müssten gehen. Die FPÖ-Spitze hat sich nun aber am Sonntag so aggressiv gegen Kurz geäussert, dass es doch sehr wahrscheinlich ist, dass alle FPÖ-Minister ihre Sessel räumen werden.
Dieser Fall schadet Kanzler Kurz mit Sicherheit sehr.
Falls das passiert, würden diese Minister wohl für die verbleibenden Monate als Übergangslösung durch sogenannte Experten aus den Ministerien ersetzt.
Kurz versprach, er könne die rechtspopulistische Partei zähmen – was nicht gelungen ist. Wie sehr schadet dieser Fall dem Image des Kanzlers?
Dieser Fall schadet Kanzler Kurz mit Sicherheit sehr. Er galt als Wunderkind der österreichischen Politik – als Wunderwuzzi, wie man hier sagt.
Jetzt ist sicher ein Teil dieses Zaubers weg. In den Umfragen liegt er aber immer noch weit vor der Konkurrenz. Kurz hofft sogar auf eine absolute Mehrheit bei den Neuwahlen – oder zumindest auf eine viel stärkere Mehrheit, als er sie derzeit hat. Das hat er bei einer Pressekonferenz am Samstag so gesagt. Ob das klappen wird, werden die Wahlen im September zeigen.
Wird die FPÖ auch danach wieder an der Regierung beteiligt sein?
Das ist sehr schwer vorstellbar. Vor allem, wenn man bedenkt, wie hart die zwei verbleibenden Führungsfiguren der FPÖ Kurz gestern attackiert haben.
Mit der ganzen Klimadiskussion sind die Grünen jetzt wieder im Aufwind.
Hinzu kommt, dass die Partei in Scherben liegt. Der Ruf der Rechtsnationalen ist total ruiniert. Trotzdem ist es denkbar, dass sie weiter regiert. Denn 2003 ist in Österreich etwas Ähnliches passiert. Damals zerbrach die Regierung allerdings nicht an einem Skandal, sondern an einer Spaltung der FPÖ.
Was wären die Alternativen für Kurz, wenn er nicht mit der FPÖ regiert?
Da sind zum einen die Sozialdemokraten von der SPÖ. Aber deren Parteichefin Pamela Rendi-Wagner hat bisher ein eher schwaches Profil. Sie ist erst sehr kurze Zeit in diesem Amt und ist intern umstritten. Dann wären da die Grünen.
Sie wurden 2017 abgewählt. Das war eine enorme Wahlschlappe. Aber mit der ganzen Klimadiskussion sind sie jetzt wieder im Aufwind. Und dann wären da noch die Neos. Die sind in etwa vergleichbar mit den Grünliberalen in der Schweiz. Auch sie erhoffen sich einen Wahlgewinn. Vielleicht werden also Grüne, Neos oder Sozialdemokraten als Koalitionspartner auf einmal denkbar.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.