Nach bald einem Jahr Krieg gegen die Ukraine leidet die russische Wirtschaft enorm. Seit 1998 hat der Kreml im Januar kein so hohes Defizit verzeichnet. 1998 führte die Rubelkrise zum faktischen Staatsbankrott Russlands. Das aktuelle Milliardenloch ist unweigerlich mit Russlands Krieg gegen die Ukraine verbunden: Ins Auge sticht bei den Statistiken der massive Rückgang beim Export von Öl und Gas. Gegenüber dem Vorjahr hat Russland daran nur halb so viel verdient.
Dies sei ein Zeichen, dass die westlichen Sanktionen nun Wirkung zeigten, sagt Sanktionsexpertin Maria Schagina vom International Institute for Strategic Studies. Der Westen habe im vergangenen Jahr viele Sanktionen angekündigt, so Schagina. Doch die wichtigsten, nämlich diejenigen im Energiesektor, seien erst im Dezember umgesetzt worden. Zu Beginn des Krieges habe Russland dank steigender Energiepreise seine ersten Verluste wieder ausgleichen können.
Doch jetzt werde dieser Ausgleich immer schwieriger, vor allem wegen des Ölpreisdeckels und dem verschärften Öl-Embargo der EU.
Goldreserven werden angezapft
Vor dem Krieg hatte Russland rund die Hälfte seiner gesamten jährlichen Einnahmen mit dem Export von Öl und Gas generiert. Inzwischen versucht der Kreml zu kompensieren: Er verkauft einen Teil seiner Reserven an Gold und an chinesische Yuan.
Bereits im letzten Jahr nutzte das Finanzministerium Gelder, die eigentlich für das Rentensystem vorgesehen waren, um das Defizit zu decken. Konzerne wie Gazprom wurden mit massiven Steuern belegt. Vor allem aber will Moskau neue Kunden für seine Rohstoffe finden. Das alles ist Teil der «wirtschaftlichen Mobilmachung», von der russische Beamte immer häufiger sprechen.
Diese werde zwar helfen, sagt Maria Schagina, ein Allheilmittel sei damit aber nicht gefunden. Bei den Massnahmen im Inland zirkuliere das gesammelte Geld bloss in der schon schrumpfenden russischen Wirtschaft. Die Neuausrichtung zum asiatischen Markt sei im Gange, aber kostspielig und zeitintensiv. Auch das belaste das Budget indirekt.
Kreml bleibt bei seinen Zielen
Trotzdem zeigt der Kreml keine Bereitschaft, von seinen Kriegszielen abzurücken. Das zeigt sich auch in den Zahlen zum Haushalt: Das Defizit kommt auch durch massiv höhere Ausgaben zustande. Fachleute gehen davon aus, dass dieses Geld hauptsächlich in die Armee fliesst. Denn Russland hat schon vor Monaten angekündigt, sein Militärbudget beinahe zu verdoppeln. Um dies zu ermöglichen, müsse andernorts gespart werden, sagt Maria Schagina.
Ausgaben für Infrastruktur oder Gesundheitswesen seien gestrichen worden und das vor allem in den Randregionen Russlands. Hier sei die Lebensqualität bereits tief, anders als in Petersburg oder Moskau, wo der Kreml den Mittelstand vor den Folgen des Kriegs schützen wolle. Doch die Zahlen zeigen, dass es dafür schon zu spät sein könnte: Die Mehrwertsteuer-Einnahmen sind ebenfalls stark zurückgegangen. Das ist für Schagina ein Indiz, dass der Konsum in der Bevölkerung nachlasse, ein weiteres ominöses Zeichen.
Kollaps steht nicht bevor
Die Sanktionen kämen ihrem Ziel näher, Russlands Kriegsindustrie zu lähmen, so Maria Schagina. Ein Kollaps der russischen Wirtschaft stehe wohl aber nicht bevor. Sie erinnert an andere streng sanktionierte Regime wie Iran oder Nordkorea. Selbst in einem solchen Zustand könne Russland den Krieg gegen die Ukraine noch auf Sparflamme weiterführen. Auch wirksame Sanktionen, so scheint es, können also nur ein Teil der Lösung sein.