Die Taliban haben massenhaft Waffen erbeutet, die die USA und andere Länder während zwei Jahrzehnten an die afghanischen Sicherheitskräfte geliefert haben. Entsprechend wird nun – auch von den Taliban selber – der Eindruck erweckt, als sei das neue Regime in Kabul eine Militärmacht. Doch das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri relativiert.
Grossmehrheitlich kam die Ausrüstung von den USA, aber auch aus Russland, Italien, Brasilien und weiteren Ländern, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ermittelt hat. Aus der Schweiz wurden 18 PC12-Mehrzweckflugzeuge geliefert. Diese wurden wohl vor der Lieferung nach Afghanistan in den USA für Aufklärungszwecke umgerüstet.
Die afghanischen Sicherheitskräfte besassen gesamthaft 75'000 Fahrzeuge, davon 22'000 gepanzerte. 600'000 Schusswaffen, Mörser, Lenkbomben, weit über hundert Helikopter und sogar 26 Super-Tucano-Kampfflugzeuge. Schliesslich sollte Afghanistan möglichst bald selber für seine Sicherheit sorgen können – so lautete das Ziel des Westens.
Taliban mit neuem Inventar – was nun?
Nun befindet sich ein guter Teil dieses Materials in den Händen der Taliban. Stolz posieren sie auf Videos und Fotos vor erbeuteten Helikoptern und langen Reihen von Panzerfahrzeugen. Das wirkt durchaus eindrucksvoll, obschon es sich, so die Sipri-Experten, nicht um wirklich hoch entwickelte Waffensysteme handelt.
Die Islamisten sind also auf allfällige chinesische oder russische Militärunterstützung angewiesen, allenfalls durch Söldner, um diese Waffen tatsächlich zu nutzen. Vorläufig sind es für sie eher Trophäen als unmittelbar einsetzbare Waffen.
Mehr Vorteile durch leichtes Arsenal
Hinzu kommt, dass viele Helikopter sich längst ausser Landes befinden, weil sich afghanische Politiker, Generäle und Piloten gleich reihenweise mit ihnen abgesetzt haben.
Wichtig und kampfentscheidend könnten eher einfachere Dinge wie Gewehre, Sprengstoffe, Kommunikationsgeräte sowie Nachtsichtgeräte für die Taliban sein. Bedeutend ist dies im Innern des Landes für den Kampf gegen andere Milizen oder Terrororganisationen.
Beim Friedensforschungsinstitut Sipri geht man hingegen davon aus, dass die Rüstungsgüter die neuen Herren in Kabul nicht in die Lage versetzen, die Region zu destabilisieren. Sie stellen entsprechend vorläufig keine unmittelbare Bedrohung für die Nachbarstaaten Afghanistans dar.