Der Korruptionsskandal um Sebastian Kurz wirft auch die Frage auf: Lassen sich Österreichs Medien durch die Politik kaufen? Kurz' persönliche Mitarbeiter sollen ein Abkommen mit einer österreichischen Zeitung geschlossen haben. Das Medienhaus berichtete positiv, dafür buchte die Regierung Inserate. Veröffentlicht wurden gemäss Anklage auch manipulierte Meinungsumfragen. Publizistikprofessor Fritz Hausjell ist wenig überrascht.
SRF News: Haben Sie die Enthüllungen überrascht?
Fritz Hausjell: Nein. Man konnte immer wieder beobachten, dass Regierungsinserate mit freundlicher Berichterstattung einhergingen. Umgekehrt führte eine ganz normale journalistische Thematisierung der Regierungsarbeit zu Rückgängen bei den Inseraten. Wenn das dem kritischen Leser nicht nur einmal auffällt, vermutet man dahinter System.
In der Schweiz kennt man eine klare Aufteilung zwischen Verlag und Redaktion: Der Verlag kümmert sich um die Finanzierung, die Redaktion um die Inhalte. Ist das in Österreich nicht so?
Bei manchen Medien ist das nach wie vor so. Insbesondere bei Medien, die über starke Redaktionsstatute verfügen und damit die innere Medienfreiheit absichern. Es gibt in Österreich aber viele Medien, die nach den 1970er-Jahren gegründet wurden. Hier lässt sich ein starkes Zusammenfliessen von publizistischen und wirtschaftlichen Funktionen beobachten. Das heisst, dass ein Chefredaktor auch in der Geschäftsleitung tätig ist und dadurch die Brandschutzmauer zwischen den beiden Bereichen nicht mehr existiert.
Die Alliierten haben sich schon 1945 weitgehend aus dem Medienbereich zurückgezogen und die Gestaltung den österreichischen Kräften überlassen. Das war für Jahrzehnte eine grosse Last, weil hauptsächlich jene Menschen am Werk blieben, die es gewohnt waren, sich den Mächten zu fügen.
Eine Studie besagt, dass die österreichischen Medien stark von Regierungsinseraten abhängig sind. Vor der Pandemie sollen diese zehn Prozent des gesamten Werbemarktes ausgemacht haben.
Die Strategie, sich durch üppige Aufträge eine wohlwollende Berichterstattung zu holen, hat sich in den späten 00er-Jahren immer stärker entwickelt. Umgekehrt leiten gewisse Verleger dadurch eine gewisse Erwartungshaltung ab. Dies kann zu einer Drucksituation gegenüber Politikern führen, wenn sie nicht mehr willens sind, üppig zu inserieren. Dies kann wiederum abfärben auf die Berichterstattung und im Extremfall zu einer Nicht-Berichterstattung führen – was für die Politik immer das Schlimmste ist.
Das Problem betrifft ja nicht nur private Medien, die von den Inseraten profitieren. Auch vom ORF wird gesagt, er sei nicht unabhängig. Die Parteien mischen im Stiftungsrat mit. Warum gelingt die Trennung von Politik und Medien in Österreich nicht?
Wir hatten in der ersten Republik (1918–1938) einen sehr gut entwickelten demokratischen Journalismus. Dieser wurde einerseits durch den hausgemachten Austro-Faschismus nachhaltig zerstört, andererseits durch den zum Teil hausgemachten Nationalsozialismus. Dieser hat das Land ab 1938 von einem Journalismus leergefegt, der dieses Wort verdient. Damit ging ein grosser Erfahrungsschatz verloren, wie man sich gegen politische Vereinnahmung zur Wehr setzen kann. Diese Personengruppe wurde von den Faschisten vertrieben und zum Teil auch physisch vernichtet im Holocaust.
Die Alliierten haben sich leider schon 1945 weitgehend aus dem Medienbereich zurückgezogen und die Gestaltung den österreichischen Kräften überlassen. Das war für Jahrzehnte eine grosse Last, weil hauptsächlich jene Menschen am Werk blieben, die es gewohnt waren, sich den Mächten zu fügen – und das auch den Jungen weitergaben. Erst die Aufarbeitung des Faschismus hat dann zu einer neuen Sichtweise geführt.
Das Gespräch führte Roger Brändlin.