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Studie: Frauen erhalten in der Notaufnahme weniger schnell Hilfe als Männer
Aus SRF 4 News vom 06.08.2024. Bild: IMAGO/Zoonar.com/NATEE MEEPIAN
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Studie zeigt «Gender Bias» Frauen erhalten auf dem Notfall weniger Schmerzmittel als Männer

Wer mit Schmerzen in eine Notaufnahme kommt, möchte so schnell wie möglich Hilfe bekommen. Eine neue Studie aus den USA und Israel zeigt aber, dass Frauen weniger schnell und effektiv behandelt werden als Männer. Wie das zu erklären ist, weiss SRF-Wissenschaftsredaktorin Katharina Bochsler.

Katharina Bochsler

SRF-Wissenschaftsredaktorin

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Katharina Bochsler arbeitet seit 2006 in der SRF-Wissenschaftsredaktion. Sie hat Psychologie und Germanistik studiert. Ihre Spezialgebiete sind Psychologie, Anthropologie, Ethik und Raumfahrt.

Was zeigt die Studie?

Das Forschungsteam aus Israel hat über 22'000 Patientinnen- und Patientendaten aus den USA und Israel daraufhin untersucht, ob und wann Menschen in der Notfallaufnahme Schmerzmittel erhielten. Da zeigte sich ein deutlicher «Gender Bias» – eine geschlechtsspezifische Verzerrung: 47 Prozent der Männer erhielten in der Notaufnahme ein Schmerzmittel, bei den Frauen waren es nur 38 Prozent. Zudem mussten Patientinnen 30 Minuten länger auf ein Schmerzmedikament warten als Patienten.

Was sind die Gründe?

Die Autorinnen der Studie vermuten, dass das Gesundheitspersonal Frauen für klagsamer hält und dass Frauen ihre Schmerzen übertrieben zum Ausdruck bringen. Das heisst im Gegenzug, dass männliche Patienten ernster genommen werden, wenn sie Schmerzen äussern. Hinzu kommt: Es war nicht nur das männliche Personal, das so urteilte. Auch die weiblichen Spitalangestellten benachteiligten die Patientinnen. Die Studienautorinnen vermuten zudem, dass Männer eventuell häufiger um Schmerzmittel bitten.

Warum nehmen Frauen Schmerz anders wahr als Männer?

Studien zeigen, dass Frauen häufiger als Männer an Krankheiten leiden, die mit Schmerzen verbunden sind. Man weiss heute auch, dass Frauen Schmerzen intensiver empfinden. Nicht weil sie wehleidiger sind, sondern weil ihr Gehirn Schmerzreize gewissermassen lauter übersetzt. Der Schlag mit dem Hammer auf den Finger einer Frau tut mehr weh, als ein Hammerschlag auf den Finger eines Mannes.

Was Sexualhormone mit der Schmerzempfindung zu tun haben könnten

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Der Grund für die unterschiedliche Schmerzempfindung zwischen den Geschlechtern sind vermutlich zu einem Grossteil die Sexualhormone. Männer haben deutlich mehr Testosteron als Frauen. Testosteron kann die Schmerzempfindlichkeit reduzieren. Während das weibliche Sexualhormon Östrogen die Sensibilität für Schmerz steigert. In den Wechseljahren, wenn der weibliche Körper zunehmend weniger Östrogen produziert, kann daher die Schmerzempfindlichkeit abnehmen.

Schmerz ist auch mit Stress verbunden. Im weiblichen Körper wird das Stresshormon Cortisol schneller ausgeschüttet als im männlichen Körper. Auch das kann dazu führen, dass Frauen Schmerz stärker spüren.

Gibt es auch in der Schweiz eine Diskriminierung bei der Schmerzmittelabgabe?

Es dürfte in der Schweiz kaum anders sein. Auch bei uns werden Frauen im Gesundheitswesen benachteiligt. Vor drei Jahren zeigte eine grosse Studie mit 500'000 Patienteneinträgen von Schweizer Intensivstationen, dass die Chance von Frauen, intensivmedizinisch betreut zu werden, kleiner ist als die von Männern. Vor allem jüngere Frauen mussten deutlich kränker sein als gleichaltrige Männer, um auf die Intensivstation verlegt zu werden.

Person unter Decke auf Bett mit Thermometer und Medikamenten.
Legende: In der Medizin gibt es weitere Unterschiede zwischen Frauen und Männern. So werden zum Beispiel die meisten Medikamente nur an Männern getestet. IMAGO/Marina Beilina

Welche Auswirkungen hat diese Ungleichbehandlung auf Frauen?

Das kann natürlich fatal sein. Oder sogar tödlich, wenn zum Beispiel ein Herzinfarkt nicht oder nicht rechtzeitig erkannt wird, weil die Symptome bei Frauen und Männern unterschiedlich sind. Die Benachteiligung oder Abwertung von Frauen in der Medizin kann auch Komplikationen verursachen, längere Genesungszeiten nach sich ziehen oder zu chronischen Krankheiten führen.

Wie sensibilisiert für Gendermedizin sind wir in der Schweiz?

Das Problem ist mittlerweile belegt und mehr oder weniger bekannt. Gendermedizin ist heute an den Universitäten und Spitälern ein Thema. Es gibt seit kurzem Weiterbildungen und Lehrstühle in Gendermedizin. Es gibt mehr Studien zu gendermedizinischen Fragen und bei der Finanzierung von Studien wird immer mehr darauf geschaut, dass auch Frauen unter den Versuchspersonen sind.

SRF 4 News, 6.8.2024, 16:25 Uhr ; 

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