Im zweiten Anlauf hat das südkoreanische Parlament am Samstag Präsident Yoon mit 204 der 300 Abgeordnetenstimmen des Amtes enthoben. Bei der ersten Abstimmung vor einer Woche hatte der Grossteil der Mitglieder von Yoons Partei die Abstimmung noch boykottiert und so das nötige Quorum im Parlament verhindert.
Für ein Amtsenthebungsverfahren ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig, und die konservative Regierungspartei von Yoon zählt 108 der 300 Abgeordneten. Bei der heutigen Abstimmung sprach sich die Partei zwar noch immer offiziell gegen das Amtsenthebungsverfahren aus, doch die Abgeordneten konnten frei ihre Stimme abgeben.
Druck der Strasse wurde zu gross
Bereits nach der Verhängung des Kriegsrechts durch Präsident Yoon am 3. Dezember hatten zahlreiche Abgeordneten Yoons Vorhaben als verfassungswidrig bezeichnet und klar für die Aufhebung des Kriegsrechts gestimmt. Doch statt einer Amtsenthebung wollten viele Parteimitglieder einen freiwilligen und vor allem deutlich langsameren Rücktritt von Yoon. Die Partei versuchte zunächst noch geschlossen aufzutreten. Doch am Ende zeigte sie immer stärker der Graben zwischen Yoon-Anhängern und Yoon-Gegnern.
Dass sich immer mehr Parteivertretende deutlicher von Yoon abgewendet haben, hängt auch mit der öffentlichen Meinung und dem Druck von der Strasse zusammen. Die Unterstützungsrate von Yoon fiel und fiel, Grossdemonstrationen gehörten schon fast zu Seouls normalem Strassenbild. Und hinzu kamen weitere Proteste, bei denen etwa zahlreiche Trauerblumen an die Parteizentrale der Regierungspartei geschickt wurden.
Zweifel an Yoons Fähigkeiten
Die laufenden Ermittlungen rund um Yoons Entscheid anfangs Monat deckten auf, dass der Präsident vor allem aus Verzweiflung das Kriegsrecht ausgerufen hatte.
Er wollte die Kontrolle über die Entscheidungen im Land und war dazu auch bereit, einige Abgeordnete an der weiteren Ausübung ihrer Ämter und Wahrnehmung ihrer Rechte zu hindern. Ein Versuch, der zwar bereits nach vier Stunden scheiterte, doch viele Zweifel an der Fähigkeiten Yoons für das Präsidentenamt aufwarf.
Amtsenthebungsverfahren noch nicht abgeschlossen
Nach dem Entscheid des Parlaments heute verliert Yoon per sofort zunächst vorübergehend all seine Macht. Ministerpräsident Han Duck-soo übernimmt Yoons Ämter. In einem weiteren Schritt muss das Verfassungsgericht entscheiden, ob das Amtsenthebungsverfahren rechtens ist.
Das Verfassungsgericht ist derzeit jedoch nicht entscheidungsfähig, da drei der neun Richterposten nicht besetzt sind. Die Regierungspartei und die Opposition haben sich bisher nicht darauf einigen können, welche drei Richter neu ernannt werden sollen.
Auch hier zeigte sich in den letzten Monaten der tiefe Graben von Regierung und Opposition. Die fehlenden Richter sollen nun schnell ernannt werden. Sollte das Gericht dann das Amtsenthebungsverfahren bestätigen, wird es innerhalb von 60 Tagen zu Neuwahlen kommen.