In Afghanistan haben die herrschenden Taliban den Frauen nun verboten, an der Universität zu studieren. Für den ARD-Korrespondenten war dies so zu erwarten – trotz aller Versprechen, die die Taliban bei ihrer Machtübernahme im August 2021 abgaben.
SRF News: Erst vor wenigen Monaten haben tausende Mädchen und Frauen in Afghanistan Aufnahmetests für Universitäten absolviert. Wie überraschend kommt dieses Verbot für Sie?
Peter Hornung: Es ist schockierend, aber es ist nicht wirklich überraschend. Es steht in einer Reihe mit zahlreichen weiteren Einschränkungen.
Es ist von Woche zu Woche, von Monat zu Monat schlimmer geworden.
Es ist von Woche zu Woche, von Monat zu Monat schlimmer geworden. Erst kam das Verbot für Frauen, allein zu reisen, dann der Burka-Erlass, wonach alle Frauen ihr Gesicht verhüllen müssen, dann das Verbot für Frauen, in Parks und Sportclubs zu gehen. In dieser Reihe steht auch dieses Uni-Verbot.
Sind wir noch in einer Phase, in der solche Erlasse begründet werden, oder folgt nur Repression auf Repression?
Das Verbot geht zurück auf einen Erlass des Bildungsministeriums von gestern Nachmittag. Es ist ein einziger Satz. Da wird nur festgestellt, dass Frauen ab sofort ganz dringend nicht mehr an Universitäten und auf private Hochschulen gehen dürfen – ohne Begründung.
In der Vergangenheit gab es manchmal Begründungen für Massnahmen, sie bezogen sich meistens auf den obersten Führer der Taliban, Achundsada. Die Begründungen waren auch, dass bestimmte Dinge für Frauen aus Sicht der Scharia, des Islamischen Gesetzbuches, nicht zulässig sei.
Haben Mädchen und Frauen überhaupt noch die Möglichkeit auf Bildung in Afghanistan?
Nein. Mit wenigen Ausnahmen gibt es für Frauen und Mädchen derzeit keine höhere Bildung mehr. Es gibt wenige Gegenden in Afghanistan, da dürfen auch ältere Mädchen noch in die Schule. Und es gibt so was wie Untergrundschulen.
Offiziell gibt es in weiten Teilen des Landes in Afghanistan für Frauen keinerlei Möglichkeit, Bildung zu bekommen.
Da werden junge Frauen unterrichtet. Aber offiziell gibt es in weiten Teilen des Landes in Afghanistan für Frauen keinerlei Möglichkeit, Bildung zu bekommen.
Ab einem gewissen Alter sind Mädchen und Frauen vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Was bedeutet das für die Afghaninnen?
Das bedeutet, dass Frauen noch mehr die Luft abgeschnürt wird, dass sie all ihrer Chancen beraubt werden. Wenn sie mehr wollen, als zu Hause zu sitzen und zu kochen und dem Mann alles recht zu machen, haben sie keine Zukunft in Afghanistan.
Es gab im vergangenen Jahr im August schon warnende Stimmen, die gesagt haben, macht euch keine Illusionen.
Und es führt auch dazu, dass Väter mit Töchtern sagen, dass sie selbst zwar in Afghanistan leben könnten, aber dass ihre Töchter keine Chancen haben und dass sie deshalb das Land verlassen. Einer meiner Kollegen in Kabul hat kürzlich exakt dasselbe zu mir gesagt: «Ich will nicht, dass meine Töchter in diesem Afghanistan aufwachsen.»
Kurz gesagt: Die ganze internationale Kritik hat nichts genutzt?
Genau. Es waren alles Versprechungen. Es gab im vergangenen Jahr im August schon warnende Stimmen, die gesagt haben, macht euch keine Illusionen. Obwohl viele der Taliban einer neuen Generation angehören, interessieren sie sich nicht dafür, was das Ausland denkt.
Hoffnung darauf, dass sich die Situation entspannt oder verändert, gibt es derzeit keine?
Ich bin ehrlich gesagt seit längerem auf der Suche nach jemanden, der noch Hoffnung sieht, aber ich finde niemanden mehr. Journalistenfreunde zum Beispiel, die vor ein paar Monaten noch gesagt haben, sie wollten die Entwicklung abwarten, wollen jetzt nur noch weg. Ich muss ehrlich sagen, ich habe im Augenblick gar keine Hoffnung mehr für Afghanistan.
Das Gespräch führte Salavdor Atasoy.