In einem Telefonat zwischen Xi Jinping und Wladimir Putin kritisierten sie die «Einmischung der USA in innere Angelegenheiten», wie es danach aus dem Kreml hiess. Was Peking mit guten Beziehungen zu Moskau anstrebt, weiss die Sinologin Simona Grano von der Uni Zürich.
SRF News: Was versteht China unter einer «Einmischung in innere Angelegenheiten»?
Simona Grano: Die Positionen Chinas und Russlands sind sehr ähnlich: Beide sehen sich von den USA und dem Westen unterdrückt – Putin wegen des Kriegs in der Ukraine und Xi wegen des technologischen Wettbewerbs mit den USA.
Russland ist wegen seines Überfalls auf die Ukraine vom Westen weitgehend isoliert und wendet sich nun vermehrt China zu – wieso macht Peking das mit?
China profitiert vom russischen Einmarsch in der Ukraine wirtschaftlich: Russland kauft seine Produkte jetzt nicht mehr im Westen, sondern in China, darunter etwa Autos.
Peking macht mit, weil es ideologisch auf der Seite Moskaus steht – und weil es wirtschaftlich profitiert.
Ausserdem erhält China Öl- und Gaslieferungen zu reduzierten Preisen aus Russland. Peking macht also mit, weil es ideologisch auf der Seite Moskaus steht, aber auch, weil es wirtschaftlich enorm profitiert.
Gibt es auch ein Risiko für China angesichts dieser Politik?
Für Peking besteht das Risiko, dass die Beziehungen zum Westen und zu den USA umso stärker belastet werden, je enger es mit Moskau zusammenspannt.
Xi und Putin streben eine «fairere Weltordnung» an. Was meint Peking damit?
Sie versuchen, eine parallele Struktur aufzubauen, um den Einfluss der USA und des Westens international abzuschwächen. Zugleich suchen sie im globalen Süden neue Wirtschaftspartner, um den Verlust an westlichen Handelspartnern zu kompensieren.
Welche Interessen verbinden die beiden UNO-Vetomächte im Ukraine- und im Gaza-Krieg?
Die Beziehungen zwischen China und Russland beruhen vor allem auf gegenseitigem Respekt und Berücksichtigung der Kerninteressen der jeweils anderen Seite. Für Peking ist wichtig, dass sein autoritäres System, seine Souveränität und seine Gebietsansprüche – sei es Hongkong, Xinjiang oder Taiwan – akzeptiert und unterstützt werden. Beide Länder haben auch eine lange, gemeinsame Grenze. Deshalb ist Peking im Ukraine-Krieg kein neutraler Beobachter, sondern vertritt eine prorussische Position.
Peking unterstützt die palästinensischen Autonomie-Bestrebungen schon seit Jahrzehnten.
Im Gaza-Konflikt wiederum geht die propalästinensische Position Pekings auf die jahrzehntelange Unterstützung einer palästinensischen Autonomie zurück. Zugleich unterstreicht Peking damit eine scharfe Meinungsverschiedenheit mit den USA, die die Vergeltungsmassnahmen Israels gegen die Hamas bekanntlich nachdrücklich unterstützen.
Peking kritisiert also Moskau nicht, damit Moskau Chinas Gebietsansprüche akzeptiert. Steht noch mehr dahinter?
Ja. China braucht, vor allem wenn die Beziehungen mit den USA kriseln, ideologische und wirtschaftliche Alliierte. Und Russland fungiert in dieser Funktion ganz gut.
Peking und Moskau wollen laut eigenen Angaben strategisch enger zusammenarbeiten. Was könnte damit gemeint sein?
Die Beziehungen werden wohl weitergeführt wie bis anhin – wobei durchaus eine Rolle spielt, wie harmonisch die Beziehungen zu Washington aus Sicht Pekings sein sollen. Deshalb wird es kaum zu konkreten Schritten einer weiteren Annäherung Pekings an Moskau kommen – etwa was eine stärkere Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine angeht. Aber China wird weiterhin versuchen, möglichst viele Produkte nach Russland zu verkaufen.
Das Gespräch führte Ali Amir.