US-Präsident Donald Trump droht Kanada mit Zöllen von 25 Prozent auf allen Produkten. Kommt es so, wäre das für den nördlichen Nachbarn verheerend, denn drei Viertel der kanadischen Exporte gehen in die USA. In Kanada rätselt man darüber, was Trump eigentlich will, wie der frühere Berater von Premier Justin Trudeau, Roland Paris, sagt.
SRF News: Was sind Trumps Gründe für die Drohung mit den massiven Zöllen?
Roland Paris: Es ist unmöglich, das zu wissen! Es gibt so viele verschiedene Botschaften und Beschwerden von Trump. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er Trump ein ganz bestimmtes Ziel hat. Ich denke, dass er Zölle androht, um am jetzigen System zu rütteln, um Druck auszuüben und um zu sehen, was passiert. Immerhin hat er den ganz grossen Druckversuch jetzt für einen Monat aufgeschoben, um einen kleinen, kurzfristigen Sieg zu feiern.
Wie wird Ottawa argumentieren, um Trump permanent von diesen Zöllen abzubringen?
Die kanadische Regierung wird tun, was sie bis jetzt auch getan hat: sich an Mitglieder der Trump-Regierung wenden und an Verbündete im gesamten politischen System in den USA. Sie wird argumentieren, dass die Zusammenarbeit den USA zugutekomme: bei der Grenzsicherheit, dem Kampf gegen Fentanyl, aber auch wenn es darum geht, China entgegenzutreten oder bei der Sicherheitspolitik in der Arktis.
Niemand gibt sich der Illusion hin, dass es nicht noch mehr Drohungen und Nötigung geben wird.
Vor allem aber wird man argumentieren, dass der nordamerikanische Wirtschaftsraum beide Länder enorm vorangebracht hat. Dabei gibt sich niemand der Illusion hin, dass es nicht noch mehr Drohungen, noch mehr Nötigung geben wird.
Verfolgt Kanadas Regierung eine ähnliche Strategie wie während Trumps erster Amtszeit?
Zum Teil ja. Es ging damals erstens darum, Trump nicht unnötig zu provozieren. Zweitens darum, die Netzwerke, die Kanada in den USA hat, auszubauen, zu erweitern, zu mobilisieren. Und drittens ging es darum, standhaft zu sein.
Dieses Mal scheint Trump noch aggressiver zu sein.
Als Trump damals Zölle auf Stahl und Aluminium einführte, verhängte Kanada Dollar für Dollar Vergeltungszölle, arbeitete aber sehr eifrig über alle Netzwerke dran, von den US-Zöllen befreit zu werden. Mit Erfolg. Aber dieses Mal scheint Trump aggressiver zu sein. Und ich weiss nicht, ob diese Strategie ausreichen wird.
Premierminister Trudeau wird bald zurücktreten, es könnte bald eine konservative Regierung übernehmen. Erschwert das eine konsequente Reaktion auf Trumps Drohungen?
Ja, der Zeitpunkt ist unglücklich. Es ist eine Herausforderung, eine Kontinuität der politischen Führung aufrechtzuerhalten. Andererseits waren Trumps Drohungen so ungeheuerlich, dass die Kanadier zusammenstehen. Sie sind sehr entschlossen und bestehen darauf, dass Kanada sich wehrt. Trump hat dafür gesorgt, dass sich das politische Umfeld hier so verändert hat, dass es für einen angehenden kanadischen Regierungschef fast unmöglich ist, etwas anderes zu tun, als sich gegen Herrn Trump zu behaupten.
Diese Bedrohung ist sehr verwirrend und könnte verändern, wie die Kanadier die USA sehen.
Was bedeutet es für die Kanadier, dass der Nachbar derartig harte Töne anschlägt?
Es ist sehr verwirrend. Im kleineren Kanada gab es schon immer eine Hassliebe und auch Unsicherheit den USA gegenüber. Aber grundsätzlich stehen die Kanadier den Vereinigten Staaten sehr wohlwollend gegenüber und betrachten sie als historischen Partner. Wir nahmen bisher stets an, dass die USA bei Handelsstreitigkeiten ihre wirtschaftliche Übermacht niemals wirklich nutzen würden, um zu versuchen, die kanadische Wirtschaft zu lähmen. Diese Bedrohung ist sehr verwirrend und könnte verändern, wie die Kanadier die USA sehen.
Das Gespräch führte Andrea Christen.