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Trumps Pläne für Gaza «Die Menschen in Gaza wollen bloss in Frieden leben»

Trump will die Palästinenser aus dem Gazastreifen vertreiben und das Küstengebiet übernehmen. Die arabische Welt reagiert mit Entsetzen auf die Pläne aus Washington. Der Politikwissenschaftler Usama Antar, der selber aus Gaza stammt, schildert, wie Trumps Vorstoss in der Region aufgenommen wird.

Usama Antar

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Der palästinensische Politikwissenschaftler Usama Antar lebte bis vor kurzem im Gazastreifen. Er arbeitet schon länger für die Friedrich-Ebert-Stiftung, die den deutschen Sozialdemokraten nahesteht.

SRF News: Wie kommt die Ankündigung von Trumps Plan für den Gazastreifen bei den Menschen vor Ort an?

Usama Antar: Die Menschen sind mit Trumps Aussagen total unzufrieden. Einige nennen sie eine grosse Katastrophe, andere spotten sogar darüber. Alle aber verurteilen die Idee und betonen, das sei ein Verstoss gegen internationales Recht.

Die meisten Menschen in Gaza würden lieber im Gazastreifen sterben, als das Gebiet zu verlassen.

Was macht die Aussicht, den Gazastreifen womöglich verlassen zu müssen, mit den betroffenen Menschen?

Es gibt bei dem Thema viele Missverständnisse: Die Menschen im Gazastreifen betrachten sich schon jetzt als Vertriebene, die 1948 einen Grossteil ihrer Heimat verloren. Auch sehen sie ihre Verwandten, die damals in die angrenzenden Länder wie Jordanien, Syrien oder Libanon geflohen sind – und denen geht es heute sehr schlecht. Die meisten Menschen in Gaza würden lieber im Gazastreifen sterben, als das Gebiet zu verlassen.

Wieso wollen die Palästinenserinnen und Palästinenser unbedingt im Gazastreifen bleiben?

Das Gebiet ist unsere Erde, unsere Kultur, das Land unserer Väter. Hier sind wir geboren. Viele Leute aus Gaza haben in Europa studiert und sind danach in den Gazastreifen zurückgekehrt. Europa ist vielleicht schöner, aber Gaza wird von ihnen mehr geliebt.

Niemand würde es akzeptieren, Gaza zu verlassen und fortan in der Wüste leben zu müssen.

Trump spricht von einem Wiederaufbau Gazas, von einer «Riviera des Ostens». Wie passen Trumps Pläne zur unglaublichen Zerstörung, die nach dem Krieg im Gazastreifen vorherrscht?

Gaza ist tatsächlich sehr schön gelegen, das Meer ist sauber, die Luft ebenfalls. Es gibt dort kaum Industrie. Aber es scheint völlig unrealistisch, dass die Palästinenser jetzt von den Amerikanern und den Israelis von dort vertrieben werden. Niemand würde es akzeptieren, Gaza zu verlassen und fortan in der Wüste leben zu müssen – während sich in Gaza andere Leute breit machen.

Luftaufnahme einer zerstörten Stadt mit Trümmern.
Legende: Fast alles ist zerstört im Gazastreifen. Jetzt möchte Trump, dass die dort lebenden zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser das Gebiet verlassen und die USA das Gebiet übernehmen – und zur «Riviera des Ostens» machen. Reuters/Mahmoud al-Basos

Wie gross ist der Wille der Palästinenser, den vom Krieg zerstörten Gazastreifen wieder aufzubauen?

Der Wille ist ungebrochen. Ausserdem wollen die Menschen in Gaza, dass alle Schuldigen an dem Desaster – Israelis und die Hamas – zur Rechenschaft gezogen werden. Die meisten Menschen in Gaza hassen die Hamas wie die Pest. Sie machen die Radikalislamisten für ihre Misere verantwortlich. Zwar ist Israel der Feind und hat die Häuser zerstört – aber die Hamas hat das mit dem Terror vom 7. Oktober provoziert.

Welche Zukunft wünschen sich die Menschen in Gaza?

Sie möchten ein normales Leben in Frieden und Sicherheit führen. Deshalb muss man die militanten Gruppen im Gazastreifen auflösen. Wichtig wäre, dass die Arabische Liga jetzt Soldaten aus arabischen Ländern in den Gazastreifen schickt, um für Recht und Ordnung zu sorgen. Ausserdem muss der Wiederaufbau von einem politischen Plan begleitet werden. Dieser muss auch die Sicherheitsbedenken Israels berücksichtigen. Es muss in Gaza ein menschenwürdiges Leben möglich werden. Die Menschen in Gaza sind der Gewalt müde.

Das Gespräch führte Christine Scheidegger.

Echo der Zeit, 5.2.2025, 18:00 Uhr ; 

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