Nebelschwaden liegen über dem Städtchen Cognac. Die Strassen sind leer, nur eine Gruppe Schulkinder geht durch das Zentrum, begleitet von mehreren Erwachsenen. In auffallend vielen Schaufenstern sind Spirituosen ausgestellt, ein Geschäft trägt die Überschrift «La Cognathèque».
Im Stadtzentrum steht ein Anwesen mit blauen Eisentoren der Firma Martell. Am Ufer des Flusses Charente thront eine grosse Fabrik, in deren Steinfassade wohl vor langer Zeit «Jas Henessy & Co» eingraviert wurde. In der Nähe des Bahnhofs sind riesige Buchstaben aufgestellt: «Rémy Martin» ist dort zu lesen.
Das sind drei von insgesamt 250 Cognac-Marken. Seit 300 Jahren wird der Weinbrand in Cognac hergestellt. Es ist die wirtschaftliche Ader der Region: Drei Milliarden Umsatz werden hier durch Cognac jährlich generiert, 70'000 Arbeitsplätze sind gemäss Branchenverband direkt oder indirekt mit der Cognac-Branche verbunden.
Eine Gruppe Rentner hat es sich am Ufer der Charente gemütlich gemacht. Einer trägt einen Pullover mit der Aufschrift Martell. 37 Jahre habe er für die renommierte Cognac-Marke gearbeitet. Jetzt sehe es aber düster aus: «Wenn diese Zölle kommen, hat das schwerwiegende Auswirkungen auf die Cognac-Produzenten», sagt Michel Audebert.
Zum Glück seien sie inzwischen pensioniert, kommentiert sein Kollege, der in einer Kartonfabrik gearbeitet hat. Der Ort lebe nämlich von der Cognac-Produktion: «Dahinter stehen tausende Arbeitsplätze, Zulieferer wie Kartonfabriken, Glashersteller und natürlich die vielen Winzer», erklärt Robert Viseux.
Cognac-Branche ist besorgt
Der nationale Cognac-Branchenverband schlägt Alarm wegen der drohenden Zölle. «Bei Zöllen von 200 Prozent verkaufen wir keine einzige Flasche mehr in die USA», so Präsident Florent Morillon. «Wir haben Ähnliches bereits mit China erlebt: Das Land erhebt seit vier Monaten provisorische Zölle von 35 Prozent auf Cognac und die Auswirkungen sind fatal: Es wurde 60 Prozent weniger Cognac versandt in dieser Zeit.»
Die Branche sieht sich ausserdem zu Unrecht im Visier: Die Zölle aus China seien eine Vergeltungsmassnahme wegen der EU-Zölle auf Elektroautos aus China und auch bei den USA sei es Teil des Handelskrieges mit der EU. «Die EU sollte unbedingt den Whiskey aus den USA von der Zollliste nehmen, dies könnte Donald Trump besänftigen.»
Cognac im Ausland bekannter als im Inland
Das Städtchen Cognac ist unmittelbar mit dem Produkt Cognac verbunden. «Viele Touristen kommen hierher wegen des Cognacs», sagt Barbesitzer Germain Canto.
Im Ausland sei Cognac viel bekannter als in Frankreich. «Die Bedeutung des Weinbrands wird im eigenen Land unterschätzt. In Paris wissen viele Menschen nicht, was Cognac ist», so der Geschäftsmann.
Auch wenn der französische Markt noch Potenzial habe, kompensieren könne man den möglichen Verlust mit dem US-Geschäft und China unmöglich, gibt Florent Morillon zu Bedenken: «100 Millionen Flaschen wie in den beiden Hauptmärkten werden wir in Frankreich niemals verkaufen können.»
Eine Stunde von Cognac entfernt, im Departement Charente-Maritime, besitzt Jean-Christophe Baraud 28 Hektare Rebberge. «Cognac gibt es seit 300 Jahren. Es gab bessere und schlechtere Zeiten. Aber nun frage ich mich, wie wir diese Krise überstehen sollen.» Aufgeben wolle er nicht: «Wir müssen die Politik dazu bringen, sich für uns einzusetzen und die Zölle abzuwenden.»