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CIA kappt Leitung nach Kiew Was fehlt der Ukraine ohne US-Geheimdienstinformationen?

Die Ukraine erhält vorerst keine Geheimdienstinformationen mehr von den USA. Das sagte der CIA-Chef John Ratcliffe in einem Interview des Senders Fox Business. Die Ukraine bestätigte das bisher nicht. Ratcliffe deutete aber auch an, die Geheimdienstinfos könnten bald wieder fliessen, wenn es erneut zu einer Annäherung zwischen der Ukraine und den USA kommen würde.

Was fehlt der Ukraine konkret, wenn sie keine US-Informationen mehr erhält? Und können die Europäer in die Bresche springen? Antworten von Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom.

Erich Schmidt-Eenboom

Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik (De)

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Erich Schmidt-Eenboom ist Experte für Geheimdienste. Er forscht dazu und hat mehrere Bücher zum Thema publiziert, unter anderem über den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND).

SRF News: Welche Informationen fehlen nun der Ukraine?

Erich Schmidt-Eenboom: In der taktischen Aufklärung sind die ukrainischen Nachrichtendienste durch ihre Drohnenaufklärung bis zu 150 Kilometern Tiefe stark aufgestellt. Aber in der strategischen Aufklärung – also [Anm. d. Red.: Lokalisierung] russischer Militärflugplätze, Heranführen neuer Verbände, angreifende strategische Bomberverbände, Lokalisierung von Kommandostäben – sind sie nahezu vollständig auf US-Geheimdienstinformationen angewiesen. Fallen diese jetzt weg, bedeutet das einen fast vollständigen Zusammenbruch der strategischen Aufklärung, den auch die europäischen Partnerdienste, Briten, Franzosen und Deutsche, nur zum ganz geringen Teil kompensieren können.

Wie lief der Austausch zwischen dem US- und dem ukrainischen Geheimdienst bisher ab?

Die US-Dienste liefern der Ukraine Informationen über zwei Seiten: die CIA-Residentur in Kiew, die langfristige Prognosen, Entwicklungen und dergleichen übermittelt. Viel wichtiger ist aber die Echtzeitübermittlung von Satelliten-Aufklärungsergebnissen. Die USA können anfliegende russische Bomberverbände lokalisieren und damit die ukrainische Luftabwehr in die Lage versetzen, frühzeitig auf diese Angriffe zu reagieren. Fällt das weg, wird das zunehmend mehr Schäden an der ukrainischen Infrastruktur geben.

Der US-Präsident muss sich vorwerfen lassen, dass er möglicherweise für eine steigende Zahl ziviler ukrainischer Todesopfer verantwortlich ist.

Sie sagen, dass der Ukraine vor allem Satellitendaten fehlen könnten. Wie wirkt sich das konkret auf den Kriegsalltag in der Ukraine aus?

Russland setzt weiter auf die Zermürbung der Ukraine durch Drohnen- und Raketenangriffe, Gleitbomben, was die zivile Infrastruktur betrifft. Durch Trumps Entscheidung ist die ukrainische Luftverteidigung so stark geschwächt, dass es zunehmend mehr Schäden in der Ukraine geben wird. Letztlich muss sich der US-Präsident vorwerfen lassen, dass er möglicherweise für eine steigende Zahl ziviler ukrainischer Todesopfer verantwortlich ist.

Die europäischen Dienste können bei weitem nicht das aufbieten, was die Amerikaner leisten.

Sie haben es schon angetönt: Können die US-Informationen durch andere Geheimdienste – Frankreich hat bereits Unterstützung angekündigt – ersetzt werden?

Nur zum geringen Teil. Es gibt natürlich eine enge Kooperation der französischen, deutschen und britischen Nachrichtendienste mit der Ukraine. 2016, also zwei Jahre nach der Annexion der Krim, hat der ukrainische Geheimdienstchef insbesondere die Kooperation mit den Franzosen und Deutschen gelobt. Seit 2014 erleben wir, dass die britischen Nachrichtendienste, insbesondere was die Ausbildung von Kommandoeinheiten betrifft, sehr aktiv sind. Was allerdings die Satellitenaufklärung und die fernmeldeelektronische Aufklärung betrifft, können die europäischen Dienste bei weitem nicht das aufbieten, was die Amerikaner mit ihren gigantischen Kapazitäten leisten können.

Das Gespräch führte Oliver Kerrison.

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SRF 4 News, 06.03.2024, 16:24 Uhr ; 

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