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USA setzen Waffenhilfe aus Militärökonom: «Trump ist Russlands nützlichster Idiot»

Die USA haben die Militärhilfe für die Ukraine für den Moment eingestellt. Was das für die Ukraine, aber auch für Europa und die Welt bedeutet, ordnet der ETH-Militärökonom Marcus Keupp ein. Er sagt, Trump spiele Moskau in die Hände, wie es ein KGB-Agent nicht besser könnte.

Marcus Matthias Keupp

Militärökonom

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Marcus Matthias Keupp ist Dozent für Militärökonomie und lehrt seit 2013 an der Militärakademie (Milak) der ETH Zürich. Zu seinem Forschungsschwerpunkt gehört unter anderem die Ökonomie des modernen Wirtschaftskrieges.

SRF News: Was bedeutet der Entscheid von Donald Trump für die ukrainischen Truppen an der Front?

Marcus Keupp: Das ist kurzfristig vor allem für die ukrainische Luftabwehr ein Problem. Wenn die USA ihre Lieferungen tatsächlich einstellen, kommen vor allem Patriot-Luftabwehrsysteme unter Druck. Dazu auch die Logistik und der Nachrichtendienst, also die Aufklärung.

Die russischen Propagandisten können ihr Glück gar nicht fassen, dass sich eine solche Wende ergeben hat.

Heisst das, dass Russland davon an der Front profitiert?

Das ist sehr diplomatisch ausgedrückt. Trump ist derzeit Russlands nützlichster Idiot. Ein russischer KGB-Agent könnte es nicht besser machen. Die russischen Zeitungen feiern Trump denn auch – und die russischen Propagandisten können ihr Glück gar nicht fassen, dass sich innert sieben Tagen eine solche Wende ergeben hat.

Eine Katastrophe für die Ukrainer

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Protestierende mit Schildern zur Unterstützung der Ukraine.
Legende: AP/Czarek Sokolowski

Für die Ukraine ist der Stopp der US-Waffenhilfe eine Katastrophe. Zu einem Frieden beitragen, wie das die Trump-Regierung behauptet, wird das wohl nicht, sagt SRF-Osteuropa-Korrespondentin Judith Huber. Jetzt müsse die ukrainische Führung entscheiden, ob sie versuchen soll, Donald Trump mit der geforderten Entschuldigung zu besänftigen, um so den Faden zu Washington nicht ganz abreissen zu lassen. «Ein schwieriger Entscheid, denn es ist keineswegs gesagt, dass eine solche Entschuldigung irgendetwas ändern wird», stellt Huber im Beitrag der Sendung «Rendez-vous» fest.

Werden die USA ihre Militärhilfe für die Ukraine definitiv stoppen?

Nur, wenn sie bereit sind, ihre Stellung in der Welt zu opfern und ihr Land zu sabotieren. Ich bin mir bei der Trump-Administration nicht mehr wirklich sicher, ob ihr nicht doch die intellektuellen Fähigkeiten fehlen, um zu erkennen, wie sie ihre eigene Position sabotiert.

Die ‹Pax Americana› stabilisiert die Welt – auch wenn das manchen nicht gefällt.

Es geht in diesem Krieg um weit mehr als um die Ukraine. Es geht auch um die «Pax Americana» – die Vormachtstellung der USA. Sie stabilisiert die Welt – auch wenn das manchen nicht gefällt.

Zwei Männer bei einem Treffen, sitzen und schauen sich an.
Legende: «Trump ist Russlands nützlichster Idiot», sagt ETH-Militärökonom Marcus Keupp. Der US-Präsident sei daran, die weltweite Vormachstellung der USA abzuwracken. Reuters

Können die Europäer die Lücke schliessen, die durch den Wegfall der US-Waffenlieferungen an die Ukraine entsteht?

Kurzfristig auf keinen Fall. Europa hat dreissig Jahre lang abgerüstet, und jetzt stehen sie da mit Armeen, die nicht kriegsbereit sind. Sie müssen ihre Fähigkeiten zuerst wieder aufbauen. Aber mit dem Amerika von Trump hat man dafür nicht zwanzig Jahre Zeit.

Ungarn macht den Russen womöglich die Tore auf, ebenso die Slowakei. Dann steht Putin in Österreich.

Wenn man jetzt nicht arg aufpasst, kollabiert die ukrainische Front womöglich – dann schiebt sich Russland bis nach Polen vor. Dann steht nicht mehr viel zwischen Polen und Frankreich – und das gilt auch für die Schweiz. Ungarn macht den Russen womöglich die Tore auf, ebenso die Slowakei. Dann steht Putin in Österreich. Europa realisiert erst jetzt, dass es ohne die USA wehrlos ist.

Die EU will in den nächsten Jahren 800 Milliarden Euro in die Waffen investieren. Reicht das, um gegen Russland zu bestehen?

Das ist eine recht optimistische Sicht der Dinge. Denn wer weiss, ob in zehn Jahren nicht ganz Osteuropa von den Russen unterworfen ist. Wenn es so weitergeht, wie in den letzten sieben Tagen, bleibt keine Zeit, um strategische Pläne zu machen und Geld zu sprechen, das vielleicht gar nicht da sein wird.

Ausser Polen hat noch kaum ein Land realisiert, was gerade passiert.

Es müssen jetzt Systeme an die Front geschoben werden, damit die russische Expansion gebremst wird. Polen hat das verstanden und rüstet massiv auf. Das Land wird bis 2030 über die grösste konventionelle Armee Europas verfügen. Doch alle anderen haben noch nicht wirklich verstanden, was gerade passiert.

Wo sind die Risiken einer gemeinsamen europäischen Aufrüstung?

Beim Begriff: Es gibt keine «gemeinsame europäische Aufrüstung». Wenn man schon nur ansatzweise darüber diskutiert, kommt umgehend der Nationalismus, die nationale Industriepolitik. Ich glaube nicht daran, dass das möglich ist. Was möglich wäre, ist eine möglichst schnelle Nato-Koordinierung von multinationalen Streitkräften. Allerdings muss man heute bezweifeln, dass die USA dazu Hand bieten.

Das Gespräch führte Daniel Hofer.

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