US-Präsident Donald Trump pausiert die militärische Hilfe für die Ukraine. Er wolle die Unterstützung erst wieder aufnehmen, wenn die Ukraine bereit sei zu Friedensverhandlungen mit Russland, melden verschiedene US-Medien. Was das für die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland – und für Europa und die Welt – bedeutet, schätzt Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik ein.
SRF News: Die USA stoppen laut US-Medienberichten die Waffenhilfe für die Ukraine. Was bedeutet das?
Claudia Major: Noch gibt es keine offizielle Regierungsmitteilung aus dem Weissen Haus. Es ist deshalb unklar, was genau der Lieferstopp bedeutet. Sicher aber ist: Die Rolle der USA hat sich fundamental verändert.
Washington macht einseitig Druck auf Kiew – aber keinen auf Moskau.
Sie sind keine Verbündeten der Ukraine mehr – sondern stellen sich zunehmend auf die Seite Russlands. Washington macht einseitig Druck auf Kiew, den Krieg zu beenden, indem es keine Waffen mehr liefert – aber auf Moskau macht Trump keinerlei Druck, damit Putin die Kämpfe einstellt.
Wie lange kann die Ukraine ohne Militärhilfe der USA im Krieg durchhalten?
Das hängt von den Europäern ab. Diese haben sich in einigen Bereichen durchaus verbessert. So können sie bei der Munition die Lücke der USA ausfüllen. In anderen Bereichen ist es viel schwieriger: So etwa bei der Flug- und Raketenabwehr – hier geht es vor allem um Patriot-Systeme und -Abwehrraketen –, bei Starlink, bei der Aufklärung.
Aber es ist eine dramatische Situation. Die USA lassen die Ukraine als Partner fallen.
Immerhin: Auch die ukrainische Rüstungsproduktion hat sich deutlich verbessert. Die Europäer haben der Ukraine in den letzten Tagen signalisiert, für sie einzustehen. Das wird extrem schwierig. Aber wenn sie willens sind, ihre Kräfte zu bündeln, können sie den US-Ausfall zumindest teilweise ausgleichen. Aber es ist eine dramatische Situation für die Ukraine. Die USA lassen die Ukraine als Partner fallen.
Könnten so alle Lücken gefüllt werden?
Alle Lücken werden die Europäer nicht selbst füllen können. Es hängt davon ab, wie viel sie bereit sind zu investieren: Sie werden auch versuchen müssen, einiges auf dem Weltmarkt zu beschaffen. Auch sind die Ukrainer sehr kreativ – und solange sie einen ihnen von den USA aufgezwungenen Siegfrieden nicht unterzeichnen möchten, werden sie weiterkämpfen. Sie haben es zum Beispiel geschafft, westliche Munition und Raketen mit ihren alten, sowjetischen Kampfjets zu verschiessen, oder sie sind sehr gut im Entwickeln eigener Kampfdrohnen.
Welche Folgen hat das alles?
Die Ukraine kann sich nicht mehr so gut verteidigen wie bisher. Und sie steht vor der Frage, ob sie einem Kriegsende zustimmen muss, das aus den Zielen Russlands besteht. Trump hat ja mit Putin telefoniert und danach US-russische Verhandlungen angekündigt. Dabei akzeptierte der US-Präsident schon vorab russische Bedingungen: keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Annexion der russisch besetzten Gebiete sowie Verhandlungen über die Köpfe der Ukrainer hinweg.
Militärische Machtpolitik wird belohnt. Das verändert die Regeln der Weltordnung fundamental.
Was bedeutet das für die Welt?
Die Grossmacht USA ist keine Schutzmacht mehr für die Ukraine oder Europa. Das könnte eine weltweite Lektion werden: Staaten wie Russland können ihre Ziele durch Krieg erreichen, militärische Machtpolitik wird belohnt. Das verändert die Regeln der Weltordnung fundamental. Deshalb ist es äusserst wichtig, dass die Europäer versuchen, die Lücke der USA zu füllen, wenn die Ukraine es möchte. Klar ist: Auch die Ukraine möchte Frieden. Sie will dabei aber nicht Russland geopfert werden.
Das Gespräch führte Vera Deragisch.