Für die norwegische Justizministerin Emilie Enger Mehl hat die Hilfsbereitschaft der Norwegerinnen und Norweger für Flüchtlinge aus der Ukraine eine Grenze erreicht.
«Diese Regierung schränkt nun die Möglichkeit des Schutzstatus für Menschen aus der Ukraine ein, weil unsere Gemeinden unter der Zuwanderung leiden und wir bislang unverhältnismässig viele Flüchtlinge aufgenommen haben», erklärte die Ministerin der bäuerlichen Zentrumspartei an einer Medienkonferenz.
Seit drei Jahren regiert Mehls Partei gemeinsam mit den Sozialdemokraten in einer Minderheitsstellung im norwegischen Parlament, wo sie in den meisten Fällen durch kleinere linke und liberale Parteien unterstützt wird.
Nun aber stellt sich die Mitte-links-Regierung ein Jahr vor den nächsten Wahlen gegen diese kleineren Parteien und macht in der Frage der Ukraine-Flüchtlinge gemeinsame Sache mit der nationalkonservativen Fortschrittspartei.
Teile der Ukraine werden «sichere Zonen»
Konkret hat die Regierung beschlossen, Teile der westlichen Ukraine als sichere Zonen einzustufen, aus denen flüchtende Menschen in Norwegen keinen automatischen Schutzstatus mehr erhalten, sondern individuell ein Asylgesuch stellen müssen.
Zudem werden nun erstmals ukrainische Flüchtlinge aus diesen Teilen ausgeschafft und die Unterstützungszahlungen auch an Personen aus anderen Teilen des kriegsgeplagten Landes, die in Norwegen bleiben dürfen, stark gekürzt.
Norwegen hat seit Kriegsbeginn in der Ukraine im Februar 2022 knapp 90’000 Menschen Schutz gewährt. Das nordische Nato-Mitglied unterstützt zudem die Regierung in Kiew mit militärischer Hilfe. Insgesamt wendet die Regierung in Oslo pro Jahr umgerechnet rund 2.5 Milliarden Franken für diese Programme auf.
Unser Land hat kriegsbedingt 1500 Milliarden Kronen mehr verdient und will nun das erste in Europa sein, das den kollektiven Schutzstatus für Flüchtende aus der Ukraine aufhebt.
Trotzdem wird die norwegische Regierung von liberalen und linken Parteien im Parlament scharf kritisiert. Die liberale Vorsitzende Guri Melby bezeichnete den Rückzieher Oslos bei den Ukraine-Flüchtlingen als «hochpeinlich»: «Unser Land hat mit kriegsbedingt höheren Einnahmen aus der Öl- und Gaswirtschaft bislang über 1500 Milliarden Kronen verdient und will nun das erste in Europa sein, das den kollektiven Schutzstatus für Flüchtende aus der Ukraine aufhebt.» Die genannte Summe entspricht gut 140 Milliarden Franken.
Regierung schielt nach rechts
Tatsächlich konnte Norwegen nach dem Wegfall russischer Importe nach Europa seine eigenen Exporte leicht erhöhen. Vor allem aber fallen die massiv gestiegenen Öl- und Gaspreise ins Gewicht. So hat das nordische Land allein im letzten Jahr seine Exporteinnahmen aus den fossilen Rohstoffen versiebenfacht.
Doch mit den schlechten Umfragewerten im Nacken blickt der sozialdemokratische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre töre nach rechts. Und er macht die Frage der Ukraine-Flüchtlinge zum Tatbeweis, dass Norwegen in Fragen der Einwanderungs- und Ausländerpolitik nicht mehr grosszügiger sein will als seine nördlichen Nachbarn.
Dänemark, Schweden und Finnland hingegen halten in Einklang mit den entsprechenden Beschlüssen der EU bis zum Jahre 2026 am kollektiven Schutzstatus fest.