Erst die Messerattacke in Solingen, dann die Wahlerfolge der AfD in Sachsen und Thüringen: Die Debatte um Migration in Deutschland nimmt weiter Fahrt auf. Politiker verschiedener Parteien äussern sich zum Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern – je nach Partei sind sie für oder gegen Abschiebungen.
Zu reden gibt nun auch eine Äusserung von Joachim Stamp, Sonderbevollmächtigter der Bundesregierung für Migrationsabkommen. Er schlägt vor, Sozialleistungen für ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer zu streichen und verweist auf das umstrittene Ruanda-Modell aus Grossbritannien.
Stamps kontroverser Vorschlag
Das Ruanda-Modell sieht vor, dass Asylverfahren in Drittstaaten, nach Ruanda, ausgelagert werden sollen. Stamp schlägt vor, das von Grossbritannien gestoppte Modell zu überarbeiten und unter Kontrolle der UNO einzuführen. Dafür müsste aber internationales Recht abgeändert werden. Noch im Frühjahr hielt er das Modell für ungeeignet – jetzt die Kehrtwende.
Die Wirkung von Stamps Aussage sei nicht sehr gross, sagt SRF-Deutschlandkorrespondentin Simone Fatzer: «Stamp will seine Äusserungen nicht als offizielle Position der Bundesregierung verstanden wissen, sondern bloss als die von ihm als FDP-Politiker.» Seine Stimme ist also nur eine unter vielen.
Zudem sei das Modell rechtlich kaum umsetzbar, erklärt Fatzer: «Deutschland ist an EU-Recht gebunden. Das schliesst es aus, Asylverfahren im grossen Stil ins Ausland auszulagern.» Drittstaatenlösungen bleiben aber Thema; CDU und CSU fordern sie weiter. Kanzler Scholz hat versprochen, solche Modelle bis Dezember zu prüfen.
In Deutschland wächst der Druck auf die Regierung Scholz, abgelehnte Asylbewerber konsequenter auszuschaffen. Die Regierung hat auch bereits Verschärfungen auf den Weg gebracht – doch es gibt praktische Hürden: Von Ländern, die Asylbewerber nicht zurücknehmen, bis hin zu Problemen bei der Durchführung von Abschiebungen. Dies war auch der Fall beim mutmasslichen Täter von Solingen.
Innenministerin ordnet Binnengrenzkontrollen an
Bundesinnenministerin Nancy Faeser ordnete derweil eine Ausweitung der Grenzkontrollen an, um verstärkt gegen die irreguläre Migration vorzugehen. An den Grenzen im Süden Deutschlands – etwa zur Schweiz – oder im Osten wird bereits jetzt kontrolliert – nun soll es überall an der deutschen Grenze Kontrollen geben, auch im Norden und im Westen. Die Grenzkontrollen sollen ab 16. September zunächst für sechs Monate gelten, teilte das Ministerium mit.
Damit geht Faeser im Streit über eine schärfere Asyl- und Migrationspolitik auf CDU und CSU zu. Vor allem CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz übt Druck auf Scholz aus. Er verlangt, die illegale Migration schon direkt an der Grenze zu stoppen. Das ist Merz’ Bedingung, um morgen an einem grossen Migrationsgipfel teilzunehmen. «Auch hier muss man sagen: Diese harten Forderungen widersprechen oft dem aktuellen Recht», sagt Fatzer.
«Wenn sich die Regierung und die grösste Opposition zusammensetzen, ist das ein wichtiger erster Schritt in dieser hitzigen Debatte», so Fatzer. Scholz zeigt sich offen für Gespräche – doch wie die Regierung und die Politik mit der Migrationsthematik umgehen, bleibt abzuwarten.