US-Präsident Donald Trump will neue Zölle auf Importe von Stahl und Aluminium verhängen und auch das Nachbarland Mexiko nicht verschonen. Für die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum könnte dies die Möglichkeit sein, innenpolitisch ihre Ziele durchzubringen, sagt die freie Journalistin Sandra Weiss.
SRF News: Kann Sheinbaum die Konflikte in der Aussenpolitik so nutzen, dass sie von der Innenpolitik ablenken?
Sandra Weiss: Ja, das tut sie geschickt. Dieser Nationalismus, den sie rhetorisch gegen die trumpschen Zölle ausgepackt hat, haben ihr innenpolitisch geholfen, die Reihen zu schliessen. Sie hat zum Beispiel Trumps Vorwurf, Mexiko sei ein Narco-Staat, mit Unterstützung der gesamten Opposition zurückgewiesen, konnte ganz Mexiko vereinen.
Das ist Populismus wie aus dem Drehbuch und völlig faktenfrei. Denn in ihrer Partei gibt es ebenso viel Korruption wie unter den Vorgängerregierungen.
Das ändert aber nichts daran, dass Mexiko ein gravierendes Sicherheitsproblem hat und dass viele Politiker, Richter, Polizeichefs, Gouverneure und Gemeindepräsidenten mit der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten. Und zum anderen bringt Sheinbaum viele Reformen auf den Weg, die demokratische Kontrollmechanismen und die Gewaltenteilung in Mexiko abschaffen und den Weg zurück zum Einparteienstaat ebnen.
Wie zeigt sich das konkret?
Sie macht die Autonomie von Überwachungs- und Kontrollmechanismen wie der Wettbewerbsbehörde oder der Transparenzbehörde und die Unabhängigkeit der Wahlbehörde rückgängig und unterstellt sie dem Innenministerium. Die Justiz wird durch diese umstrittene Reform ausgeschaltet. Die Richter sollen fortan gewählt werden, statt nach Kenntnis und internen Bewertungen ausgewählt zu werden. Da findet eine Gleichschaltung statt.
Das Ganze erinnert mich an das Einparteiensystem, das bis zum Jahr 2000 in Mexiko herrschte.
Das zeigt sich auch in ihrem gesellschaftlichen Diskurs: Sheinbaum sieht auf der einen Seite neoliberale Oligarchen und auf der anderen Seite das gute Volk, das von ihr repräsentiert wird. Das ist Populismus wie aus dem Drehbuch und völlig faktenfrei. Denn in ihrer Partei gibt es ebenso viel Korruption wie unter den Vorgängerregierungen.
Wie wird diese Innenpolitik von ihren politischen Gegnerinnen und Gegnern aufgenommen?
Unter ihrem Vorgänger hat sich die Opposition jahrelang aktiv und lautstark zu Wort gemeldet. Auch in den Medien gab es viel Kritik. Doch die Kritiken sind mittlerweile fast verstummt. Viele der traditionellen Medien sind von den Anzeigen der Regierung abhängig und haben nachgegeben und zum Beispiel kritische Kolumnisten entlassen. Und die Opposition selbst befindet sich in Auflösung. Das Ganze erinnert mich an das Einparteiensystem, das bis zum Jahr 2000 in Mexiko herrschte.
Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?
Umfragen attestieren Sheinbaum 70 Prozent Popularität. Sie hat eine effiziente Propagandamaschine und Sozialprogramme, die mittlerweile 30 Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner bekommen.
Trump sitzt am stärkeren Hebel, denn Mexiko liefert 80 Prozent seiner Exporte in die USA.
Donald Trump fordert im Zollstreit innerhalb eines Monats grosse Schritte gegen den Drogenhandel. Wie schätzen Sie das ein?
Trump sitzt am stärkeren Hebel, denn Mexiko liefert 80 Prozent seiner Exporte in die USA. Trump hat nun ein Damoklesschwert, weil er jeden Monat überprüft, ob Mexiko seine Auflagen erfüllt. Allerdings ist nicht klar, was genau die Auflagen sind und wer das misst. Letztlich entscheidet Trump. Er will Fortschritte bei Migration und dem Drogenhandel. Bei der Migration hat Mexiko im letzten Jahr schon deutlich die Zügel angezogen. Beim Drogenhandel wird es schwieriger, weil da auch viele politische und militärische Interessen tangiert werden.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.