«Vélopolitaine» Paris: Kopfsteinpflaster, Schlaglöcher und Rambo-Autofahrer – Velofahren in Paris war bis vor kurzem etwas für Unerschrockene. Bis der Kampf gegen dreckige Luft und den täglichen Verkehrsinfarkt Wahlkampfthema wurde. Es entstanden Velowege à gogo. In der Corona-Krise sieht die sozialistische Bürgermeisterin die Chance, ihre Zweiradpolitik voranzutreiben. Um eine erneute Auto-«Invasion» zu verhindern und Gedränge im ÖV zu vermeiden, wurden viele provisorische Radwege entlang wichtiger Metroverbindungen geschaffen. Das Virus verleiht der jungen Pariser Velokultur derzeit Flügel.
«Ahora la bicicleta» in Barcelona: Velofahren in Spanien? Bisher was für Leute auf dem Land, Biker in den Bergen und unerschrockene Hipster in den Grossstädten. Doch nun: Barcelona, Granada, Madrid, Santander, Valencia, Vitoria-Gasteiz – sie alle schufen neue Velospuren, mehr Veloverleih, mehr Platz für Fussgänger; in der Regel im Provisorium, teils durch Vorziehen von ohnehin geplanten Neuerungen. Schon immer nervte man sich hier über Stau im Autoverkehr und Gedränge in Metro, Bus, Tram. Seit dieser Woche zählt Barcelona 21 km neue Velowege, weichen mussten Autoparkplätze und Autospuren. Madrid plant für die nächsten 5 Jahre jährlich 100 km neue Velospuren. Da wie dort ertönt bereits der Ruf, aus dem Provisorium ein Definitivum zu machen.
Brüssel – Immer «Grün» für Radfahrer und Fussgänger: Neue Verkehrsschilder, neue Farben am Boden und neue Regeln im Strassenverkehr. In der belgischen Hauptstadt Brüssel haben in der Innenstadt Fussgänger und Velofahrer neu Vortritt vor den Autos. Seit dem 11. Mai sind die Ampeln in der Innenstadt ausgeschaltet, Vorfahrt haben nur noch die Trams. Nicht ganz ohne Gegenwind haben der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close und sein Kabinett die Corona-Krise für diese zurzeit noch temporäre Verkehrswende genutzt. Was sich aber auch mit diesen neuen Regeln in der Stadt nicht geändert hat: Für die wackligen Kopfsteinpflaster braucht man nach wie vor eine gute Federung, wenn man die Velofahrt unbeschadet überstehen will.
Rom setzt auf «E» bei Velos und Trottinetts: Beim Velo denken die Italiener an «Giro d’Italia» und perfektes Outfit als Freizeitsportler am Sonntag. Natürlich kennen alle die «Biciclette» als individuelle Fortbewegung nicht erst seit «Don Camillo und Beppone»! Das Velo als landesweites Verkehrsmittel aber hat sich bis heute in Italien nicht durchgesetzt. Covid-19 soll das ändern: mit einem Zuschuss von bis zu 500 Euro für neue E-Bikes und E-Trottinetts. Ein Angebot der Römer Regierung für Umweltschutz und gegen post-epidemisches Verkehrschaos: für viele Italiener eine Versuchung aber auch eine Herausforderung!
Londons «Goldene Ära fürs Velo»: In London fahren in normalen Zeiten bis zu fünf Millionen Menschen täglich mit der Underground. Seit dem Lockdown erobern die Zweiräder die Strassen, die städtischen Mietvelos verzeichnen Rekordzahlen. Und der Hype soll ganz Grossbritannien erfassen, denn die Regierung hat ein zwei Milliarden Pfund Investitionspaket für zusätzliche Fahrrad- und Gehwege angekündigt. Boris Johnson spricht von der goldenen Ära fürs Rad. Konkret werden in London zurzeit Autospuren in Gehwege oder Fahrradspuren umgewandelt. Einige Strassen sind temporär ganz für Autos gesperrt. Wenn die temporären Massnahmen auch längerfristig bleiben, ist es eine echte Chance Londons Luftverschmutzung anzupacken.
In Berlin ist das Auto nicht mehr das Mass aller Dinge: Das Auto ist manchem Deutschen heilig. Dennoch geht es dem motorisierten Verkehr auch in Berlin an den Kragen. Elf neue Radwege hat die Stadt installiert und dafür Parkplätze gestrichen oder den Autofahrern ganze Spuren aberkannt. Die Autolobby ist eigentlich stark und normalerweise dauert es Monate bis Verkehrskonzepte geändert werden. Doch die Pandemie hat es vorangetrieben. Offiziell handelt es sich um temporäre Radwege, die man wie eine Baustelle im Handumdrehen einrichten könne. Die Radlobby hofft, dass daraus bald eine dauerhafte Veränderung wird.