An der Grenze zwischen den USA und Mexiko spitzt sich die Situation der Migrantinnen und Migranten erneut zu. Mehr Menschen als üblich kamen in den letzten Tagen dort an. Sie hoffen darauf, dass die USA ab dieser Woche wieder mehr Personen über die Grenze lassen. Grund ist, dass eine umstrittene Abschieberegelung aufgehoben werden soll. Vorderhand herrscht aber Unklarheit.
Die US-Regierung hat das Oberste Gericht in den USA gebeten, die geplante Aufhebung der Abschieberegelung nicht zu blockieren. Allerdings solle die sogenannte «Titel-42»-Regelung anders als ursprünglich geplant erst nach Weihnachten wegfallen, hiess es in einem Antrag der Regierung an das Gericht.
Der Supreme Court hatte die geplante Aufhebung der Regelung am Montag dann aber vorerst blockiert. Das Gericht forderte die Bundesregierung auf, sich bis Dienstag zu einem Eilantrag mehrerer Bundesstaaten zu äussern, welche die Abschieberegelung aufrechterhalten wollen. Das hat die Regierung mit ihrem Antrag nun getan. Offen war, wann der Supreme Court eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen wird.
Irrlichternde US-Migrationspolitik
Sandra Weiss ist Journalistin in Mexiko. Sie spricht von einer dramatischen Situation an der Grenze zu den USA. «Die Hoffnung war gross, dass die Grenze jetzt aufgeht.» Die Frustration der Menschen darüber, dass die Regelung nun doch noch nicht aufgehoben worden ist, sei gross. «Sie haben auf den Rechtsstaat in den USA vertraut und nicht damit gerechnet, dass nun noch ein gegenteiliges Urteil gefällt werden könnte.»
Migrantinnen und Migranten schlafen vor irgendwelchen Busterminals und Supermärkten. Es ist ein humanitäres Drama.
Die US-Migrationspolitik irrlichtert seit geraumer Zeit zwischen plötzlichen Verschärfungen und erneuten Lockerungen. Auf Schlupflöcher folgen neue Dekrete und Gerichtsurteile. Insofern seien auch die Migrantinnen und Migranten inzwischen gewohnt daran, dass sich die Situation fast wöchentlich ändern könne, sagt Weiss. «Es bleibt aber ein persönlicher Rückschlag für die Familien, die gehofft haben, noch vor Weihnachten über die Grenze zu kommen.»
«Migrantinnen und Migranten schlafen vor irgendwelchen Busterminals und Supermärkten», berichtet die deutsche Journalistin. «Es ist ein humanitäres Drama.» Die Option, einfach in Mexiko zu bleiben, gibt es für die meisten der Geflüchteten nicht: Sie haben keinen rechtlichen Status und können auch nicht arbeiten. «Sie müssen praktisch betteln oder von der Hilfe anderer überleben.»
Doch wer sind die Menschen, die in die USA gelangen wollen? «Die Flüchtlingswellen spiegeln politische und wirtschaftliche Krisen oder auch Naturkatastrophen wider», sagt Weiss. Nach verheerenden Wirbelstürmen suchten in den letzten Jahren viele Menschen aus Honduras oder El Salvador Zuflucht in den USA. Derzeit sind es viele Venezolaner und Kubaner, die vor den autoritären Regimen und der sozialistischen Mangelwirtschaft in ihrer Heimat flüchten.
Darunter sind auch viele politische Verfolgte. «Es handelt sich um Oppositionelle, die teils gar nicht mehr zurückkönnen, da sie ihre Staatsbürgerschaft verloren haben.» Weiss war erst kürzlich auf der Migrantenroute Richtung USA unterwegs. Dort hat sie auch Menschen aus dem Nahen Osten und aus Afghanistan getroffen, die auf verschlungenen Pfaden nach Süd- und Mittelamerika gelangten – und jetzt auf eine Zukunft in den USA hoffen.