Anfang Woche hat der britische Premierminister Boris Johnson die Vertrauensabstimmung in seiner Partei überstanden. Dabei votierten vier von zehn der Tory-Abgeordneten gegen ihn. Nun, am Mittwochabend, hatte er seinen ersten Auftritt im britischen Unterhaus.
Absolut nichts und niemand kann meine Regierung aufhalten!
Dabei zeigte sich Johnson in alter Frische und überaus kämpferisch: Auf die Frage einer Labour-Abgeordneten, ob es nun nicht langsam Zeit sei, den Hut zu nehmen, meinte Johnson: «Absolut nichts und niemand kann meine Regierung aufhalten!»
Johnson, eine «lahme Ente»?
Nicht zufrieden mit dieser selbstbewussten Durchhalteparole gab sich der Oppositionelle Ian Blackford, Vorsitzender der Schottischen Nationalpartei (SNP). Blackford bezeichnete Johnson als «traurige Figur aus einem Monty-Python-Film», dem 41 Prozent seiner eigenen Partei nicht mehr trauten.
Der Premierminister sei «eine lahme Ente, der eine gespaltene Partei führt und ein Königreich, das längst nicht mehr vereint ist», so Blackford weiter.
Immer weniger zufrieden mit Johnson ist man auch im Volk. Das zeigt sich zum Beispiel im 30 Kilometer Luftlinie westlich vom Parlament in Westminster gelegenen Uxbridge. Dort liegt, an der Endstation der Piccadilly-U-Bahn-Linie und in der Einflugschneise des Flughafens London Heathrow, der Wahlbezirk von Boris Johnson.
Viele haben genug von Johnson
In der Fussgängerzone herrscht emsiges Treiben bei sonnigen 22 Grad. Doch politisch ist der Himmel ziemlich bewölkt. Der Populist Boris Johnson, der hier 2019 noch eine satte Mehrheit holte, ist nicht mehr so populär. Dieser Premierminister sei eine Schande, sagt eine ältere Dame mit Einkaufstasche. Andere meinen, Johnson sei kein Vorbild, es sei Zeit für ihn, abzutreten, er habe genügend Chancen gehabt.
Der Brexit brachte Johnson vor bald drei Jahren an die Macht. Mit seiner erfolgreichen Impfkampagne früh in der Pandemie konnte er seine Gegner lange ruhigstellen. Doch mittlerweile lässt sich die tägliche Misere nicht mehr schönreden.
Hohe Preise sind zunehmend ein Problem
Rekordhohe Steuern und ein marodes Gesundheitssystem sind die Früchte des Brexits, die bis heute bitter schmecken.
Hinzu kommen inzwischen Nahrungsmittel, die für immer mehr Leute unbezahlbar sind. Gut zwei der insgesamt gut 67 Millionen Britinnen und Briten können sich gemäss einer aktuellen Studie höchstens noch eine Mahlzeit pro Tag leisten.
Boris macht Sprüche, aber er kümmert sich nicht um die kleinen Leute. Er soll gehen.
Und Gasrechnungen seien mittlerweile eine Zumutung, meint ein Passant in Uxbridge. «Unter dieser Regierung wurde bis heute nichts gegen die steigenden Preise getan. Boris macht Sprüche, aber er kümmert sich nicht um die kleinen Leute. Er soll gehen. Es wird Zeit für einen Wechsel.»
Ein rascher Abgang ist unwahrscheinlich
Tatsächlich verfügt der angeschlagene Premierminister über die seltene politische Gabe, Leute zum Lachen zu bringen. In normalen Zeiten ist das gelegentlich durchaus unterhaltsam. Aber mitten in einer Krise alles andere als lustig.
Trotzdem wird es so schnell keinen Wechsel an der Regierungsspitze in Grossbritannien geben. Die konservativen Torys haben zwar keinen erkennbaren Plan, aber immer noch die Mehrheit im Parlament.