Jede Stimme zählt im knappen Rennen um die US-Präsidentschaft. Im Swing State Michigan sind die arabischstämmigen Wählerinnen und Wähler im Fokus: Traditionell wählen sie demokratisch, doch 2024 ist für sie alles anders.
Samstagmorgen im Gemeindezentrum in Dearborn, einer Vorstadt im Westen von Detroit. Eine arabisch-amerikanische Stiftung hat eingeladen. Es geht darum, sich zu vernetzen, die gemeinsamen arabischen Wurzeln zu feiern. Und natürlich geht es auch um Politik.
«Wir alle wissen, wie wichtig unsere gemeinsame arabische Wahlstimme ist», sagt die Moderatorin. Die Frage ist: Was tun mit dieser Wahlstimme? Kamala Harris, als Teil der aktuellen Regierung, hat alle in diesem Raum zutiefst enttäuscht.
«Wir sind in immenser Trauer versammelt. Ich kenne Leute, die mit Waffen getötet worden sind, die unsere Regierung geschickt hat», sagt Abbas Alawieh, Mitgründer einer Protestbewegung innerhalb der demokratischen Reihen.
Für ihn wie für die anderen rund 100 Teilnehmenden an dieser Konferenz ist klar: Diese US-Regierung, für die die meisten von ihnen 2020 gestimmt haben, finanziert im Nahen Osten einen Völkermord mit. «Jeden Tag verfolgen wir live, wie sich ein Genozid abspielt. Für uns alle ist das unglaublich demoralisierend», sagt Layla Elabed von der gleichen Protestbewegung wie Alawieh.
Deshalb will eigentlich niemand aus der arabischstämmigen Community hier für Harris stimmen. Doch Donald Trump ist für sie keine echte Alternative. Sie haben das Einreiseverbot nicht vergessen, das er als Präsident für mehrere Staaten im Nahen Osten und Nordafrika verhängt hat.
Eine Drittkandidatin zu wählen oder gar nicht zu wählen, ist gleichbedeutend mit einer Stimme für Trump. Und damit ist das Dilemma perfekt für die arabischstämmige Community.
Wahl für Harris aus strategischen Gründen
Strategisch gedacht, wäre eine Stimme für Harris wohl trotzdem vorzuziehen. Denn zu den Demokraten haben die arabisch-amerikanischen Lobbyorganisationen immerhin etablierte Beziehungen, offene Kommunikationswege.
Anders als bei einer republikanischen Regierung besteht die Möglichkeit, etwas zu bewirken, wenn auch im Kleinen. Angesichts der sich häufenden Berichte schwerer Kriegsverbrechen im Nahen Osten ist es jedoch viel verlangt, strategisch zu wählen. Eine Stimme für den Kopf, gegen das Herz, das blutet.
Trotzdem setzen sich am nächsten Tag mehrere einflussreiche Figuren aus der arabischstämmigen Community in Dearborn genau für diese strategische Wahl ein. Gemeinsam geben sie an einer Pressekonferenz bekannt, Kamala Harris zu unterstützen. Für sie ist klar, Harris ist die beste aller schlechten Optionen.
Killer-Kamala. Ihr seid alle Verräter, ihr kollaboriert mit Israel.
Ismael Ahmed, Gründer des nationalen arabisch-amerikanischen Museums in Dearborn, sieht keinen anderen Weg: «Wir werden für Harris stimmen, um den Kampf für den Frieden fortzuführen. Dafür ist sie die beste Chance.»
Arabischstämmige Community ungeeint
Während die älteren Herren und Damen ihre schwierige Entscheidung erklären, dringt Lärm von aussen ins Gebäude. Ein paar junge arabischstämmige Aktivistinnen und Aktivisten sind gekommen, um mit Megafon und Fahne zu protestieren. «Killer-Kamala», skandieren sie. «Ihr seid alle Verräter, ihr kollaboriert mit Israel.»
Der Vorfall zeigt: Die arabischstämmige Community scheint alles andere als geeint vor dem 5. November. Und das wiederum spielt Donald Trump voll in die Karten – ob sie das gut finden oder nicht.