Chirurg Zakheria Harbah führt durch die schon jetzt fast leeren Gänge des Bab Al-Hawa Spitals, ganz im Norden Syriens, an der Grenze zur Türkei. Er kommt gerade von einer Operation, die Abdrücke der Schutzmaske noch im Gesicht.
Der Arzt wird in der Notaufnahme gebraucht. Ein Verkehrsunfallopfer ist eingeliefert worden: «Der Patient ist stabil – Gott sei Dank. Doch er hat beide Beine gebrochen und muss operiert werden.» Sie würden ihn baldmöglichst in ein anderes Spital verlegen, sagt der Arzt, denn im Moment fehlten ihnen die nötigen Instrumente für die Operation.
Das Bab al-Hawa Spital kämpft schon seit längerem mit Finanzierungsengpässen. Es wurde seit der Eröffnung 2012 ausschliesslich von der Syrisch-Amerikanischen Medizinischen Gesellschaft (kurz SAMS) finanziert. Es war ein integraler Teil der US-Entwicklungshilfe: «Saläre, Betriebskosten, Medikamente und die Ausstattung des Spitals – einfach alles hängt vom SAMS ab», sagt Spitaldirektor Ahmad Al-Ahmed.
Doch seit Anfang Februar könne er nicht mehr nur von Engpässen sprechen. Denn die finanziellen Mittel wurden von der US-Regierung ganz gestoppt: «Wir zehren von den Reserven. Die Saläre sind blockiert, Heizungen lassen wir ausgeschaltet.»
Nur noch Notaufnahme
Zum Monatswechsel, also in diesen Tagen, müssten sie wohl noch drastischere Massnahmen ergreifen und alle Stationen bis auf die Notaufnahme schliessen. So auch das Dialysezentrum, wo der gut 50-jährige Omar liegt. Dicke Schläuche führen von seinem Unterarm in eine Maschine zur Blutreinigung und von da wieder zurück.
Das Spital hält mich am Leben. Wenn es schliesst, ist auch mein Leben zu Ende.
Seit zehn Jahren komme er hierher, dreimal wöchentlich: «Ich bin auf das Spital angewiesen. Ich kann mir den Transport in eine weiter entfernte Klinik nicht leisten.» Was er machen würde, wenn das Bab Al-Hawa Spital schliessen müsste, weiss er nicht. «Das Spital hält mich am Leben. Wenn es schliesst, ist auch mein Leben zu Ende. Ganz einfach!»
Über 100 Einrichtungen drohen zu schliessen
Wie gravierend der Entscheid aus dem Weissen Haus für den Gesundheitssektor in den einstigen Rebellengebieten im Nordwesten und Nordosten Syriens ist, weiss Christine Bethke. Sie leitet das Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO in Damaskus: «Gerade, weil es sich da um Gebiete handelt, die über zehn Jahre nicht unter Regierungskontrolle standen, ist die gesamte Gesundheitsversorgung bisher von internationalen Hilfswerken finanziert worden.»
Dies könnte bis Ende März die Schliessung von über 100 Gesundheitseinrichtungen bedeuten.
Die Tatsache, dass nun nach dem Sturz des Assad-Regimes ganz Syrien unter der Kontrolle von der neuen Regierung stehe, ändere daran nicht viel. Denn die Übergangsregierung sei noch nicht in der Lage, in diesen Gebieten die öffentlichen Dienstleistungen bereits voll und ganz zu übernehmen. «Dies könnte bis Ende März die Schliessung von über 100 Gesundheitseinrichtungen alleine im Nordwesten Syriens bedeuten», sagt Bethke.
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Bild 1 von 3. Der Eingang des Bab Al-Hawa Spital. Bildquelle: SRF/Thomas Gutersohn.
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Bild 2 von 3. Von der Einrichtung aus ist die Grenzmauer zur Türkei zu sehen. Bildquelle: SRF/Thomas Gutersohn.
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Bild 3 von 3. Der Betrieb ist beim Besuch des SRF-Korrespondenten auf ein Minimum beschränkt. Bildquelle: SRF/Thomas Gutersohn.
Kaum jemandem ist der Ernst der Lage wohl so bewusst wie Ahmad al-Ahmed, dem Leiter des Bab Al-Hawa Spitals. Er ärgert er sich über den Entscheid der USA. Sein Spital habe das verheerende Erdbeben von 2023 überstanden und über zehn Jahre Krieg bewältigt.
Nun sei der Krieg endlich vorbei – doch jetzt schnüre ihm und seinem Spital ein willkürlicher Entscheid aus dem Weissen Haus womöglich den Atem ab. «Es gibt keine Gerechtigkeit», sagt der Spitaldirektor enttäuscht.