- Die Mitstreiter des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny haben für Samstag in 70 russischen Städten zu Protesten aufgerufen.
- Der Kreml reagiert mit Drohungen und vorsorglichen Verhaftungen in verschiedenen Landesteilen.
- Regierungsnahe Kreise stufen die Aussicht auf erfolgreiche Proteste und eine baldige Freilassung Nawalnys als gering ein.
Knapp eine Woche nach der Festnahme des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny steuern seine Anhänger auf eine Machtprobe mit der russischen Führung zu. Sie haben landesweit zu Massenprotesten aufgerufen.
Wir wissen, dass der Kreml Massendemonstrationen fürchtet.
Putins Präsidialamt bekräftigte in Moskau, die geplanten Demonstrationen seien illegal. Mehrere Anhänger Nawalnys wurden bereits festgenommen, darunter seine Sprecherin Kira Jarmisch. Sie ist von einem Gericht zu neun Tagen Haft verurteilt worden. Damit könne sie nicht an den Protesten am Samstag teilnehmen, erklärte Jarmisch auf Twitter.
«Wir wissen, dass der Kreml Massendemonstrationen fürchtet», sagte Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys. Schon 2013 sei eine fünfjährige Haftstrafe für Nawalny nach Protesten in der Nähe des Kremls in eine Bewährungsstrafe umgewandelt worden. Vor den Demonstrationen appellierte Wolkow auf YouTube an Nawalnys Anhänger, keine Angst zu haben.
Putin ist beliebter als Nawalny
Ob die Strategie des Nawalny-Lagers aufgeht, ist ungewiss. In regierungsnahen Kreisen wurde die Aussicht auf eine baldige Freilassung Nawalnys als gering eingestuft. Nawalny beginne, eine Bedrohung für Putin zu sein, sagte ein Insider. Deshalb werde er wohl bis nach der Parlamentswahl im September im Gefängnis bleiben. Das Präsidialamt lehnte eine Stellungnahme ab.
Der Erfolg der Nawalny-Streiter steht aber nicht nur wegen des harten Gegensteuers aus dem Kreml in den Sternen. Umfragen zufolge stehen über 60 Prozent der Russen hinter Präsident Wladimir Putin, während selbst regierungsunabhängige Meinungsforscher eine Zustimmung für Nawalny von höchstens 17 Prozent ermitteln.
Ungewiss ist auch, wie gross der Zulauf bei den Kundgebungen am Samstag mitten im Winter und in der Corona-Pandemie sein wird – zumal unlängst Strafen für die Teilnahme an nicht genehmigten Protesten verschärft wurden.
Erneut verurteilte die EU die Festnahme Nawalnys und forderte, die Vergiftung des Oppositionellen zu untersuchen. EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte auf Twitter, er habe in einem Telefongespräch mit Putin die Freilassung Nawalnys gefordert. «Russland muss dringend umfassende und transparente Ermittlungen des Mordanschlags auf ihn einleiten.»
Ferner müsse Russland Nawalnys Sicherheit garantieren, seine Rechte müssten voll und bedingungslos gewahrt werden, sagte Michel bereits einen Tag zuvor, nach einem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. «Wir erwarten, dass Russland voll mit der Internationalen Organisation zum Verbot Chemischer Waffen kooperiert.»
Der EU-Ratspräsident informierte Putin nach einer Mitteilung des Rats auch über sein Vorhaben, auf dem EU-Gipfel im März eine strategische Debatte über die Beziehungen der EU zu Russland zu führen.
Putin und der Inlandsgeheimdienst FSB weisen die Anschuldigungen, den Anschlag gegen Nawalny verübt zu haben, kategorisch zurück.