Die genaue Ursache des Flugzeugunglücks in der südkoreanischen Stadt Muan mit 179 Toten ist noch unklar. Die Behörden teilten bisher lediglich mit, dass die Piloten kurz vor der Bruchlandung einen Vogelschlag gemeldet hatten. Das Flugzeug setzte zudem ohne ausgeklapptes Fahrwerk auf.
Verbindung zwischen Vogelschlag und Fahrwerk unklar
Vogelschlag kommt immer wieder vor und ist «unkalkulierbar», wie Michael Schultz, Professor für Luftverkehrskonzepte an der Universität der Bundeswehr München, erklärt. Die wohl bekannteste Notlandung der jüngeren Geschichte wurde von Vögeln verursacht: Als der US-Pilot Chesley «Sully» Sullenberger spektakulär im New Yorker Hudson River landete – und alle 155 Menschen an Bord überlebten .
Wie der Vogelschlag und das fehlende Fahrwerk beim Unfall in Muan zusammenwirkten, ist bislang unklar. Selbst für Experten ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Flugzeugteilen nicht auf den ersten Blick erkennbar. Sie können nur Vermutungen anstellen. Michael Schultz hält Kollateralschäden für möglich: «Bei typischen Anfluggeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h kann ein Vogelschlag die Sensorik und Technik des Flugzeugs empfindlich beeinflussen.»
Boeing dürfte an rascher Aufklärung interessiert sein
Neben den Auswirkungen des Vogelschlags sind noch weitere Fragen offen. Zum Beispiel, welche Informationen die Piloten hatten. Michael Schultz vermutet, dass sie sehr schnell reagieren mussten. «Wenn in elf Kilometern Höhe etwas passiert, hat der Pilot mehr Zeit zu entscheiden. Gerade bei Start und Landung steht in kritischen Situationen weniger Zeit zur Verfügung.» Auf den Bildern des Unfalls ist zu sehen, dass die Maschine nach dem Aufsetzen ungebremst weiterrutscht. Ein Indiz dafür, dass weder die Bremsklappen noch der Umkehrschub die Maschine abbremsen konnten.
«Auffällig ist, dass die Antennen des Instrumentenlandesystems hinter dem Pistenende auf einem Erdwall und einer Mauer stehen und nicht einfach auf Stangen wie an anderen Flughäfen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass der Flughafen Muan erst seit Anfang Dezember für den internationalen Verkehr geöffnet ist», meint Hansjörg Bürgi, Chefredaktor des schweizerischen Luftfahrtmagazins Skynews.ch.
Klarheit werden erst die Flugschreiber bringen und bis dahin kann es Tage oder Wochen dauern. Doch zumindest eine Partei hat derzeit ein Interesse an möglichst schneller Aufklärung: Boeing. Der Flugzeughersteller steht nach verschiedenen Zwischenfällen in der Dauerkritik .
Sowohl Bürgi als auch Schultz halten Mängel auf Seiten von Boeing jedoch für unwahrscheinlich. «Ich würde das nicht überbewerten. Bei zwei bis drei grossen Flugzeugherstellern weltweit ist es statistisch naheliegend, dass es entweder Boeing oder Airbus betrifft.»
Der Luftverkehr ist schon sehr sicher geworden – sicherer als der Autoverkehr.
Jüngst häuften sich Meldungen über Zwischenfälle in der Luftfahrt: Vor einer Woche musste eine Swiss-Maschine in Graz notlanden, dann kam der Absturz einer Maschine von Azerbaijan Airlines – mutmasslich durch einen russischen Abschuss. Und nun der tödliche Unfall in Südkorea. Der Flugsicherheitsexperte Michael Schulz sieht darin aber keinen Hinweis auf einen generellen Trend zu weniger Sicherheit: «Der Luftverkehr ist sehr sicher geworden – sicherer als der Autoverkehr. Wichtig wird sein, dass Lehren aus diesem Unfall gezogen werden können.»