Nach der Parlamentswahl in Georgien ruft Staatspräsidentin Salome Surabischwili zu Protesten wegen Wahlbetrugs zu Gunsten der Regierungspartei auf. Auch EU und USA bezweifeln, dass das Ergebnis seine Richtigkeit hat. Was ist da los in Georgien? SRF-Korrespondent Calum MacKenzie, derzeit in Tiflis, mit einer Einschätzung.
Was ist an den Fälschungsvorwürfen dran?
Bei der Wahl am Samstag ist es zweifellos zu Manipulationen zu Gunsten der amtierenden Regierung gekommen. So wurden etwa die Stimmen aus einem Wahllokal annulliert, weil ein Vertreter der Regierungspartei dabei gefilmt wurde, wie er einen ganzen Stapel Stimmen in eine Wahlurne quetschte. Doch es ist unklar, wie stark solche Vorfälle das Resultat insgesamt verfälscht haben. Die Regierung gibt zu, dass es zu Vorfällen kam, sagt aber, alles in allem sei die Wahl legitim. Die Opposition dagegen spricht von völlig verfälschten Wahlen. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Jedenfalls fordern EU- und OSZE-Wahlbeobachter jetzt Aufklärung über festgestellte Vorfälle – wie etwa die Einschüchterung von Wählern.
Was bedeutet der Protestaufruf von Präsidentin Salome Surabischwili?
Die Präsidentin Georgiens hat wenig politische Macht, ihre Rolle ist eher zeremoniell. Sie ist in den letzten Monaten allerdings zu einer Art Galionsfigur der Opposition geworden. Das hat auch damit zu tun, dass die georgische Opposition traditionell zersplittert und zerstritten ist und sie nur über schwache Führungsfiguren verfügt. Ironischerweise wurde Surabischwili 2018 mit Unterstützung der Regierungspartei «Georgischer Traum» Staatspräsidentin. Inzwischen setzt sie sich aber gegen den autokratischen Kurs der Regierung ein und fordert die Opposition ebenfalls dazu auf. Viel mehr kann sie allerdings nicht tun.
Welche Rolle spielen die Reaktionen aus dem Ausland?
Die ausländischen Wahlbeobachter werden ihre Beobachtungen zur Wahl in Georgien nun zunächst nach Brüssel melden. Sollte die EU aufgrund der Berichte zum Schluss kommen, die Wahl sei rechtens und sie anerkennen, wäre auch die georgische Opposition in einer schwierigen Lage. Sie müsste sich dann wohl oder übel mit der Situation abfinden. Sollten aus dem Ausland und insbesondere der EU aber Bedenken kommen oder würde die Wahl im Westen nicht anerkennt, dann würde das stark an der Legitimität der georgischen Regierung kratzen.
Wie geht es weiter mit Georgien?
Sollte der Wahlsieg der Regierung Bestand haben, dürfte sich Georgien weiter Russland annähern. Das hat aber nicht unbedingt damit zu tun, dass die Regierung an sich pro-russisch wäre. Ihre Absicht ist es einzig, an der Macht zu bleiben – und sei es mit unlauteren Mitteln. Und weil ihr dabei die EU und der Westen tendenziell hineinreden, Russland dies aber nicht tut, lehnt sie sich eher an Russland an. In den letzten Monaten hat die georgische Regierung restriktive Gesetze erlassen, etwa gegen die Zivilgesellschaft oder queere Menschen. Auch hatte sie angekündigt, die Opposition verbieten zu wollen. Unbestreitbar zeigen auch die vielen Ungereimtheiten bei der Wahl, dass die Regierung daran ist, die Demokratie in Georgien abzubauen.