- Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu tritt bei den im Mai geplanten Präsidentschaftswahlen gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan an.
- Dies hat ein oppositionelles Bündnis aus sechs Parteien in Ankara mitgeteilt.
- Auch die pro-kurdische Partei HDP könnte sich vorstellen, Kilicdaroglu zu unterstützen.
Die türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wären eigentlich im Juni angesetzt. Doch Erdogan hat angekündigt, sie auf den 14. Mai vorzuziehen.
Für den Präsidenten, der seit 20 Jahren an der Macht ist, gelten die Wahlen als Bewährungsprobe. Umfragen zufolge ist seine Wiederwahl alles andere als sicher.
Die Türkei kämpft mit einer massiven Inflation und einer hohen Arbeitslosigkeit. Nach den schweren Erdbeben vor einem Monat war zudem Kritik am Krisenmanagement der Regierung Erdogans laut geworden.
Schwierige Kandidatenfindung
Das Anti-Erdogan-Bündnis wäre an der Kandidatenfrage fast zerbrochen: Meral Aksener, die Chefin der zweitgrössten Partei in dem Verbund, kündigte zunächst die Zusammenarbeit auf – und nahm dann doch überraschend an einem Treffen in Ankara mit fünf weiteren Parteien teil.
Grund für den Streit war die Frage, wer bei den am 14. Mai geplanten Präsidentenwahlen gegen Erdogan antreten soll. Die grösste Oppositionspartei CHP wollte ihren Parteichef Kemal Kilicdaroglu aufstellen und wurde dabei von vier kleineren Parteien unterstützt. Aksener von der nationalkonservativen IYI-Partei machte deutlich, dass sie das nicht mittrage. Sie war der Ansicht, dass Kilicdaroglu schlechte Chancen hätte und wollte den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu oder den Bürgermeister von Ankara, Mansur Yavas, nominieren.
Nach Angaben der IYI-Partei wurde nun ein Kompromiss gefunden: Kilicdaroglu soll wie geplant als Kandidat aufgestellt werden, die beiden Bürgermeister sollen im Falle eines Wahlsiegs zu Vizepräsidenten ernannt werden.
Geschickter Vermittler und EU-Befürworter
Kilicdaroglu steht seit fast 13 Jahren an der Spitze der Opposition. Jedoch konnte die CHP unter seiner Führung noch keine Wahl gegen Erdogan gewinnen. Kilicdaroglu ist Befürworter einer EU-Mitgliedschaft und Verfechter eines nationalistischen Kurses bei Migrationsthemen. Kritiker werfen ihm vor, wenig charismatisch und keine Anführerfigur zu sein, wie die Türkei sie brauche.
Dagegen hält der 74-Jährige, die Türken hätten genug von Erdogan und dessen Führungsstil. In einem Interview mit der deutschen Nachrichtenagentur DPA im Dezember plädierte er für eine von «Vernunft» geleitete Politik. Er gilt zwar als schlechter Wahlkämpfer, aber auch als guter Vermittler mit diplomatischem Geschick und Kompromissbereitschaft.
Pro-kurdische Partei könnte Kilicdaroglu unterstützen
Gemäss Umfragen ist Kilicdaroglu auch bei den kurdischen Wählern beliebt und könnte Stimmen aus diesem Lager erhalten. Es wird zudem erwartet, dass die pro-kurdische Partei HDP keinen eigenen Kandidaten aufstellen wird.
Der Vizepräsident der HDP, Mithat Sancar, sagte in einer Live-Sendung des Privatsenders Haberturk: «Unsere klare Erwartung ist ein Übergang zu einer starken Demokratie.» Wenn man sich nach «klaren, offenen Gesprächen» auf grundlegende Prinzipien einigen werde, könne man Kilicdaroglu bei den Präsidentschaftswahlen unterstützen, so Sancar.