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Boris Nadeschdin will gegen Putin antreten
Aus Rendez-vous vom 25.01.2024. Bild: Reuters/EVGENIA NOVOZHENINA
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Wahlen in Russland «Nadeschdin wagt es, Putin direkt anzugreifen»

Boris Nadeschdin – sein Nachname bedeutet auf Russisch Hoffnung. Der 60-Jährige will bei den Präsidentschaftswahlen in Russland im März antreten. Wie seine Chancen stehen, Putin herauszufordern, sagt Russland-Korrespondent Calum MacKenzie.

Calum MacKenzie

Russlandkorrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

SRF News: Wer ist Boris Nadeschdin?

Calum MacKenzie: Nadeschdin ist schon lange eine Figur in der russischen Opposition. Er ist seit 30 Jahren in der Politik und vertritt eine wirtschaftsliberale Partei. Er hat offenbar keine Berührungsangst, wenn es um das Regime geht. In den 1990er-Jahren war er als Regierungsberater tätig, und in den letzten Jahren trat er oft in den Talkshows der Staatspropaganda auf, sozusagen als Prügelknabe. Diese Sendungen sind ja akribisch durchgeplant. Er hat zwar seine Position vertreten können, aber diese wurden von den Fernsehpropagandisten jeweils demontiert.

Welche Positionen vertritt er neben der Wirtschaftsliberalität?

Er sagt, er setze sich ein für ein Ende der Spezialoperation in der Ukraine und dafür, dass die russischen Soldaten nach Hause kommen. Er kritisiert die Repression und die Gesetze, die sich gegen die LGBT-Gemeinschaft richten. Und er verlangt auch ein Ende der Putin-Vertikale, wie er sie nennt, kurz gesagt, des Systems mit Wladimir Putin an der Spitze. Er wagt es, Putin direkt anzugreifen und zu sagen, der langjährige Machthaber müsse jetzt ausgewechselt werden.

Letztlich entscheiden ohnehin die Leute im Kreml, ob Nadeschdin bei diesem Schauspiel eine Rolle spielen soll oder nicht.

Nadeschdin hat bis Ende Januar Zeit, die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenzubringen. Wie gross ist die Chance, dass der Kreml diese Unterschriften akzeptiert?

Das ist die grosse Frage in der russischen Opposition. Nadeschdin hat laut eigenen Angaben bereits mehr als 150'000 Unterschriften gesammelt. Er muss in mindestens 40 Regionen eine gewisse Anzahl Unterschriften holen. Es reicht nicht, die 100'000 Unterschriften in den liberalen Metropolen wie Moskau und Petersburg zu sammeln. Es kann noch vieles schiefgehen. Und letztlich entscheiden ohnehin die Leute im Kreml, die bei diesen Wahlen einen Rekordsieg für Wladimir Putin orchestrieren wollen, ob Nadeschdin bei diesem Schauspiel eine Rolle spielen soll oder nicht.

Eine lange Schlange Menschen steht in der Kälte an. Es liegt viel Schnee
Legende: In St. Petersburg stehen die Leute Schlange, um dem Oppositionskandidaten mit ihrer Unterschrift ihre Unterstützung zu geben. Imago/Sipa USA

Falls Nadeschdin zur Wahl zugelassen wird, bedeutet das, dass der Kreml den Anschein einer echten Wahl erwecken will?

Ja, davon kann man ausgehen. Der Kreml hat schon immer vermeintliche Oppositionskandidaturen zugelassen, um eine Meinungsvielfalt vorzugaukeln und um die Opposition mit schlechten Resultaten zu diskreditieren. Es ist für den Kreml gewissermassen eine Gratwanderung. Wir werden sehen, ob Nadeschdin im allfälligen Wahlkampf überhaupt eine Plattform für seine Positionen bekommt. Wir wissen nicht, ob Nadeschdin quasi in Abmachung mit dem Kreml handelt und willentlich sozusagen als Sprengkandidat auftritt. Dazu herrscht in der Opposition bis jetzt Uneinigkeit.

Es ist für den Kreml gewissermassen eine Gratwanderung.

Wer sind die Menschen in Russland, die Nadeschdin mit ihrer Unterschrift unterstützen?

Trotz der Bedenken scheinen sich Oppositionelle in- und ausserhalb Russlands um Nadeschdin zu scharen. Wenn ich mit regimekritischen Russinnen und Russen spreche, höre ich viel Enthusiasmus. Aber dieser Enthusiasmus gilt nicht unbedingt Nadeschdin selbst, sondern eher der Möglichkeit, die er bietet, ein Zeichen zu setzen. Eine Russin hat mir gesagt, es sei ihr sogar egal, wenn Nadeschdin eine Marionette des Kremls sei. Es sei wichtig zu zeigen, dass es in Russland noch Leute gebe, die gegen Putin und gegen den Krieg sind. Mit der massenhaften Abgabe von Unterschriften könne man das zeigen.

Das Gespräch führte Radka Laubacher.

Rendez-vous, 25.1.2024, 12:30 Uhr ; 

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