Ksenia Fedotova sitzt in ihrer Datscha vor den Toren Moskaus und richtet sich auf etwas ein, was sie schon länger nicht mehr erlebt hat: einen Sommer in Russland: «Ich gebe es zu: wir kennen Spanien oder Deutschland besser als Russland. Das liegt daran, dass wir seit Jahren jeweils im Sommer ins Ausland fahren, meistens nach Europa.»
Auch dieses Jahr hätten sie bereits gebucht. «Wir wollten nach Lettland ans Meer aber mussten alles stornieren.» Das Coronavirus hat die Reisepläne der 43-jährigen Juristin und ihrer Familie zunichtegemacht. So geht es Millionen von Russinnen und Russen aus der Mittelschicht, die sich in den vergangenen Jahren an regelmässige Auslandsreisen gewöhnt haben.
Flexibilität bei der Ferienplanung
Anders als in vielen europäischen Ländern ist die Epidemie in Russland nicht unter Kontrolle. Täglich gibt es tausende Neuinfektionen. Die Grenzen des Landes bleiben deswegen bis auf Weiteres weitgehend geschlossen.
Die Saison kommt langsam in Fahrt, Woche für Woche steigt die Zahl der Buchungen.
«Also müssen wir umplanen. Wir haben etwa überlegt, nach Karelien zu fahren, ein Gebiet nördlich von St. Petersburg. Dort soll es auch sehr schön sein», sagt Fedotova – fügt aber an, sie sei skeptisch, ob eine Reise in Russland wegen des anhaltend hohen Infektionsrisikos eine gute Idee sei.
Viele andere Russinnen und Russen sind da forscher und machen sich bald auf, das eigene Land zu erkunden. Maja Lomidze vom russischen Reisebüroverband erklärt: «Die Saison kommt langsam in Fahrt, Woche für Woche steigt die Zahl der Buchungen».
Vor allem die traditionellen Tourismusdestinationen im Süden seien beliebt: die Schwarzmeer-Küste und die Berg-Kurorte des Kaukasus. Doch würden viele Touristen auch Ziele in der Umgebung ansteuern. Wer in Sibirien lebt, bucht in Sibirien – die Moskauer suchen Ferienorte im Umland der Hauptstadt.
Die Gesundheit der Gäste sei der Branche wichtig, sagt Lomidze. Deswegen gebe es in den Ferienorten umfangreiche Sicherheitsmassnahmen wie Abstand-Halten oder Desinfektion. Zum Teil müssen die russischen Touristen sogar einen negativen Corona-Test vorweisen, bevor sie einchecken.
Ksenia Fedotova überzeugt das alles nicht. Sie bezweifelt, dass es im Moment sicher ist, in Russland zu reisen. «Fürs Erste blieben wir mal auf unserer Datscha. Wir haben schon Velos gekauft und ein Bassin für die Kinder – es soll auch hier draussen werden wie in einem richtigen Sommerurlaub.»