Zum Inhalt springen

Wilde Frisur und Kettensäge Was Milei als Argentiniens Präsident in einem Jahr erreicht hat

Seit einem Jahr ist der argentinische Präsident Javier Milei im Amt. Mit seiner wilden Frisur und der Kettensäge hat er weit über die Grenzen Südamerikas für Aufmerksamkeit gesorgt. Doch was hat der ultraliberale Staatschef in seinen ersten zwölf Monaten tatsächlich erreicht?

Wirtschaft: Die Inflation ist deutlich gesunken. Die Teuerungsrate ging während seiner Amtszeit von monatlich über 20 Prozent auf 2.7 Prozent pro Monat zurück. Die Regierung stoppte die Finanzierung des Staatshaushalts mit der Notenpresse. Die positive Entwicklung geht aber teils auch auf die abgewürgte Wirtschaft zurück: Weil viele Menschen kein Geld mehr haben, konsumieren sie weniger. Deshalb steckt Argentinien in einer schweren Rezession. Auf der anderen Seite ist es Milei aber gelungen, das erste Mal seit Jahren wieder einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorzulegen.

Person hält Kettensäge bei Protest hoch.
Legende: Javier Milei hat die Kettensäge während seines gesamten Wahlkampfes benutzt, um zu symbolisieren, wie er Staatsausgaben und Verschwendung reduzieren will. (13.12.2023) Keystone/NATACHA PISARENKO

Armut: Milei hat eine Reihe von Sozialprogrammen gekürzt, die Renten nur unterhalb der Inflationsrate erhöht und die Unterstützung für soziale Projekte wie Armenküchen heruntergefahren. Nach der Streichung von Subventionen sind die Preise für Strom, Wasser und Gas explodiert. Vielen Menschen geht es schlechter als zu Beginn von Mileis Amtszeit. So ist der Anteil der Argentinier unterhalb der Armutsgrenze um über zehn Prozentpunkte auf 52.9 Prozent gestiegen. 18.1 Prozent der Menschen leben sogar in extremer Armut – das bedeutet, dass ihr Einkommen nicht ausreicht, um sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen.

Verschlankung des Staates: Der selbst ernannte Anarcho-Kapitalist Milei sieht den Staat als grundsätzliches Übel an und will ihn nach eigenen Angaben «von innen zerstören». Sofort nach Amtsantritt schaffte er eine ganze Reihe von Ministerien ab, entliess Zehntausende Staatsbedienstete und legte fast alle öffentlichen Bauvorhaben auf Eis. Zudem will er viele staatliche Unternehmen privatisieren. Daraus ist allerdings bislang noch nichts geworden.

Dollarisierung: Eines der wichtigsten Versprechen in seinem Wahlkampf war die Abschaffung des Peso und die Einführung des US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel. Davon ist mittlerweile keine Rede mehr. Finanzexperten hielten das Projekt ohnehin für unrealistisch, weil Argentinien überhaupt nicht in der Lage wäre, genug Dollar dafür aufzubringen.

Person hält übergrossen Geldschein mit Porträt.
Legende: Während einer Wahlkampfveranstaltung in Cordoba hält Milei einen 100-Dollar-Schein in der Hand, auf dem sein Gesicht abgebildet ist. (16. November 2023) Keystone/Nicolas Aguilera

Verbesserung der Investitionsbedingungen: Nach Jahrzehnten einer stark regulierten Wirtschaft will Milei das Land liberalisieren und Investoren anlocken. Er brachte ein Förderungspaket auf den Weg, das für Grossinvestitionen von mehr als 200 Millionen US-Dollar Steuervergünstigungen über 30 Jahre vorsieht. Allerdings bestehen immer noch viele Beschränkungen für den Aussenhandel. Auf Importe werden weiterhin hohe Zölle fällig. Und auch Devisentransaktionen ins Ausland sind streng reglementiert.

Person in Anzug, jubelt unter Konfetti.
Legende: Das Mantra von Argentiniens Präsident Javier Milei lautet: «No hay plata» (Es gibt kein Geld). Sein radikales Spar- und Reformprogramm stösst auch in Europa auf Interesse. (18.10.2023) Keystone/JUAN IGNACIO RONCORONI

Diplomatie: In der Aussenpolitik lässt sich Milei stark von seiner ultraliberalen bis rechtspopulistischen Ideologie leiten. Anstatt gute Beziehungen zu seinen wichtigen Nachbarn und Handelspartnern wie Brasilien zu pflegen, besuchte er den künftigen US-Präsidenten Donald Trump und den Tech-Milliardär Elon Musk oder wetterte auf rechten Foren gegen den Sozialismus und eine vermeintliche «Wokeness». Wenn es darauf ankommt, ist er aber erstaunlich pragmatisch: Er trug die Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Rio de Janeiro und die Einigung auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur mit – allerdings nicht, ohne sich kurz darauf öffentlich davon zu distanzieren.

Anmerkung der Redaktion

Box aufklappen Box zuklappen

Der Artikel basiert auf einer Meldung der Nachrichtenagentur sda/dpa. Dies war bei der Erstpublikation fälschlicherweise nicht präzise ausgewiesen. Wir haben dies angepasst.

Tagesschau, 10.12.2024, 19:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel