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Milei ein Jahr im Amt Zaghafter Erfolg für den Kettensäge-Präsidenten

Die Inflation sinkt auf derzeit noch 193 Prozent. Doch Millionen Argentinier leben in Armut – und es werden immer noch mehr.

Darum geht es: Seit bald einem Jahr ist Javier Milei Präsident von Argentinien. Angetreten ist der rechtsliberale bis libertäre Politiker mit dem Versprechen, den Staat massiv zu verschlanken und so die Wirtschaft des hoch verschuldeten und unter massiver Inflation leidenden Landes wiederzubeleben. Jetzt zeigt der rigorose Sparkurs Mileis Wirkung: Die Inflation sinkt, wenn auch auf immens hohem Niveau. So betrug sie im Oktober zum Vorjahresmonat noch 193 Prozent – im Juni hatte die Jahresteuerung noch 280 Prozent betragen.

Milei spart den Staat weg.
Autor: Teresa Delgado Lateinamerika-Korrespondentin von Radio SRF

Das bedeutet es: «Es ist eine Trendwende – die Inflation sinkt», sagt SRF-Südamerika-Korrespondentin Teresa Delgado. Das sei für die Wirtschaft eine gute Nachricht. Doch weil die Regierung von Milei massiv Subventionen gestrichen hat – etwa auch für öffentliche Suppenküchen – und massenweise Leute entlässt – etwa bei der Post oder beim Justizministerium –, steigt die Armut vieler Menschen im Land. «Milei spart den Staat weg», sagt Delgado.

Das will Milei: Der Präsident hatte mit einer Kettensäge Wahlkampf betrieben – als Symbol, das herrschende System zerstören zu wollen. Milei will, dass der freie Markt alles regelt und der Staat möglichst wenig eingreift. Mileis Vorgehen steht inzwischen auf gesetzlichen Füssen: Mit der im Juli vom Parlament verabschiedeten «Ley de Bases» kann er nach Gutdünken den Staat verschlanken und Massenentlassungen anordnen.

Im Portemonnaie spüren die Menschen noch keine Verbesserung.
Autor: Teresa Delgado Lateinamerika-Korrespondentin von Radio SRF

Die Folgen für die Menschen: Für jene, die ihre Stelle verlieren, wird es in Argentinien immer schwieriger, Arbeitslosengeld zu beziehen, weil die Hürden dafür ständig erhöht werden. «Immer mehr Menschen fallen deshalb in die Armut und in die Schattenwirtschaft ab», sagt die Korrespondentin. Inzwischen lebten mehr als die Hälfte der 46 Millionen Argentinierinnen und Argentinier unterhalb der Armutsgrenze, fast ein Fünftel sogar in extremer Armut. «Im Portemonnaie spüren die Menschen noch keine Verbesserung», so Delgados Fazit.

Kann eine Gesellschaft so funktionieren?

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«Wenn man nur auf die Inflation schaut, dann geht es in die richtige Richtung, damit der argentinische Wirtschaftsmotor wieder anspringen kann», sagt Teresa Delgado. Und weiter: «Aber dahinter stehen Menschen. Und dass ihre Armut wächst, kann nicht im Sinn von Mileis Reformen sein. Sein anarcho-kapitalistisches Wirtschaftsmodell hat etwas Sozialdarwinistisches: Der Stärkere gewinnt und jeder muss für sich selber schauen – im Gegenzug gibt's maximale Freiheit. Da stellt sich die Frage, ob eine Gesellschaft so funktionieren kann.»

Milei im Aufwind: Dass er die Inflation auf unter 200 Prozent senken konnte, gibt Milei wieder mehr Support in der Bevölkerung. Nachdem seine Beliebtheit wegen der vielen Entlassungen gefallen war, ist sie jetzt wieder auf über 50 Prozent Zuspruch gestiegen. «Offenbar sind die Argentinier bereit, Mileis Wirtschaftsexperiment vorerst noch mitzumachen – ob aus Überzeugung, mangels politischer Alternativen oder aus Erschöpfung, ist allerdings unklar», stellt Delgado fest.

SRF 4 News aktuell, 21.11.2024, 9:50 Uhr ; 

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