40'000 Unfälle pro Jahr - Riskantes Hobby: Warum ist Wandern so gefährlich?
Die Kehrseite des Wanderbooms: Die Zahl der Unfälle ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das liegt am Massentourismus, der sich in kritisches Gelände vorarbeitet – und am eigenen Ego.
Schon als Knirpse erklimmen wir luftige Höhen – und spätestens mit 30 hängt die erste atmungsaktive Wanderjacke im Kleiderschrank: Wir Schweizerinnen und Schweizer sind ein Volk von Wandernden. Sogar die Gämsen nicken uns freundlich zu, wenn wir trittsicher an ihnen vorbei kraxeln.
So weit das Klischee. Die Realität sieht anders aus: Jedes Jahr gibt es rund 40'000 Unfälle beim Bergsport und Wandern in der Schweiz. Im Schnitt sterben jährlich 53 Menschen bei unserem Volkssport Nummer 1.
Drei Viertel der Todesfälle betreffen Männer
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Egal ob alt oder jung: Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) verunfallen in den Bergen alle Altersklassen. Beim Bergwandern sind es vor allem die Seniorinnen und Senioren. Beim Bergsteigen sind es häufig Personen im erwerbstätigen Alter.
Die meisten Unfälle passieren durch Ausrutschen, Stolpern oder Stürzen. Dementsprechend sind vor allem Unterschenkel und Sprunggelenke von Verletzungen betroffen. Todesfälle gibt es mehrheitlich infolge von Abstürzen. Mehr als drei Viertel der Todesopfer sind Männer.
Noch in den 2000er-Jahren gab es jährlich «nur» rund 17'700 Unfälle. Die Zunahme ist auch dem Wanderboom geschuldet, der in den letzten Jahren in der Schweiz ausgebrochen ist. Und: Die Unfallstatistik «wächst» mit dem Bevölkerungswachstum mit. Wo mehr Menschen leben, wird mehr gewandert – naturgemäss gibt es damit mehr Misstritte und Abstürze.
Aber: Die Zahl der Unfälle habe im letzten Jahrzehnt überproportional zugenommen, erklärt Mara Zenhäusern von der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu). Über die Gründe lasse sich nur spekulieren. «Vermutlich sind mehr unerfahrene Leute unterwegs, die keine spezifischen Kenntnisse der Berggefahren haben und auch mehr Risiken eingehen.»
Bei vielen Unfällen spiele zudem Selbstüberschätzung und mangelnde Aufmerksamkeit eine Rolle. Ebenso wie die falsche Einschätzung der Wetter- und Geländeverhältnisse und schlechte Ausrüstung.
Und welche Rolle spielt das Ego? Antworten darauf hat Bernhard Streicher. Der ehemalige Professor für Sozial- und Persönlichkeitspsychologie hat sich auf die Risikoforschung spezialisiert. Heute ist er selbstständig und beschäftigt sich vor allem mit Risiken im Bergsport.
So und nicht anders
Diese Risiken werden laut dem Psychologen oft zu wenig wahrgenommen. Im Vordergrund steht die Freude, in der freien Natur zu sein und sein Tagesziel erreichen zu wollen. Die Gefahr rückt in den Hintergrund.
Die jüngsten Unfälle in den Schweizer Bergen
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Wie gefährlich es in den Bergen sein kann, illustrieren einige Polizeimeldungen der letzten Wochen. Darunter fallen auch Unfälle von Alpinisten und Bergsteigerinnen (nachträgliche Präzisierung der Redaktion):
Auf der «Haslerrippe» zwischen dem Aletschhorn und dem Dreieckhorn im Fieschertal im Wallis haben Rettungskräfte am Dienstag zwei tote Bergsteiger aufgefunden. Bei den Opfern handelt es sich um zwei Schweizer im Alter von 35 und 44 Jahren. Die Untersuchung der Unglücksumstände läuft.
Am 10. Juli kam es beim Abstieg vom Lagginhorn im Wallis zur Tragödie. Zwei Deutsche Personen stürzten Hunderte Meter in die Tiefe. Für eine kam jede Hilfe zu spät.
Am 9. Juli hat sich ein 57-jähriger Schweizer bei einem Sturz in die Tiefe am Pointe du Midi im Wallis tödliche Verletzungen zugezogen. Der Mann war mit seiner Partnerin unterwegs. Auf einer Höhe von 2430 Metern entschied er sich, alleine in Richtung des Gipfels aufzusteigen.
Im Val de Bagnes, ebenfalls im Wallis, musste in der Vorwoche eine 26-jährige Chinesin von Bergführern gerettet werden. Sie hatte um 21 Uhr bei widrigen Wetterbedingungen einen Notruf abgesetzt. Sie kam mit dem Schrecken davon.
Zeitgleich verirrte sich eine 77-jährige Amerikanerin in der Region – sie konnte erst am anderen Morgen gefunden werden. Bei der Suche wurde ein Super-Puma-Helikopter der Armee mit Wärmebildkamera eingesetzt. Die Frau zog sich keine lebensbedrohlichen Verletzungen zu.
Ende Juni stürzte am Silvrettahorn bei Klosters GR ein 69-jähriger Alpinist ab und konnte nur noch tot geborgen werden. Tags zuvor erlitt ein weiterer 75-jähriger Berggänger im Bündner Berninagebiet das gleiche Schicksal.
«Es ist aber nicht so, dass die Leute ins Gebirge gehen und sich denken: ‹Heute mache ich etwas wirklich Unvorsichtiges und Dummes›», relativiert Streicher. Stattdessen gebe es einen psychologischen Effekt, der fatale Folgen haben kann: Wenn wir uns für etwas entschieden haben, nehmen wir verstärkt Informationen wahr, die für diese Entscheidung sprechen. Informationen, die dagegen sprechen, blenden wir aus.
Mut zur Selbstkritik
Der Rat des Psychologen: Flexibel bleiben und die Route den Bedingungen anpassen. «Es geht darum, die eigene Entscheidung immer wieder kritisch zu hinterfragen.» Heisst: Nicht einfach stur weiterlaufen, obwohl man von weitem die Gewitterwolken sieht oder sich die Tour als anstrengender entpuppt als angenommen.
Auch eine andere Entwicklung hat das Wandern gefährlicher gemacht: Die klassischen Bergmetropolen sind heute komfortabel zu erreichen, die Infrastruktur hat viele natürliche Widerstände verschwinden lassen. «Dadurch kommen Leute, die schlecht ausgerüstet sind und keine Erfahrung haben, extrem schnell in kritisches Gelände», sagt Streicher.
Das Hochgebirge ist mit dem Massentourismus zugänglicher geworden. Doch es verzeiht noch immer keine Fehler. Gerade bei Menschen, die sich in einem Vergnügungspark wähnen.
Streicher schliesst: «In den letzten Jahrzehnten hat sich die Vorstellung verfestigt, dass jeder alles machen kann. Was weniger vermittelt wird, sind die Gefahren, die damit einhergehen.»
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