Der Zustand der Biodiversität – also der Artenvielfalt – beschäftigt Bevölkerung und Politik. Selbst in Naturschutzgebieten droht ein Rückgang der Artenvielfalt, wenn man keine Massnahmen ergreift. Ein kleines Naturschutzgebiet im Kanton Zürich zeigt die Herausforderungen exemplarisch auf.
Zwischen Siedlungs- und Landwirtschaftszone eingeklemmt
Das Chrutzelried, zwischen Dübendorf und Schwerzenbach, ist ein Flachmoor und ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung. Gleichzeitig ist es auch ein kleines Naturparadies, findet Urs Tester, Biologe und Naturschützer:
«Wenn ich hier auf einem Spaziergang bin, dann sehe ich in jedem Moment wieder etwas Neues. Eben habe ich eine Eidechse vorbeihuschen sehen. Ich höre die Wasserfrösche rufen. Das finde ich super. Das ist Biodiversität.»
Tester ist Geschäftsleitungsmitglied von Pro Natura Schweiz und arbeitet schon seit über 30 Jahren für die Organisation. Das Naturschutzgebiet Chrutzelried gefällt ihm besonders, weil es auf der einen Seite ein Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung ist und auf der anderen Seite ein Flachmoor, in dem auch seltene Pflanzen gedeihen – etwa die leuchtend blaue sibirische Schwertlilie.
Bei aller Begeisterung gibt es aber etwas, was Urs Tester nachdenklich stimmt: Das geschützte Moorgebiet ist nur etwa so gross wie acht Fussballplätze.
«Wenn ich mit meinen Kollegen in Deutschland und Frankreich spreche und sage, bei uns habe ein national bedeutendes Gebiet 4.2 Hektar Grösse, dann lachen sie mich aus, weil bei Ihnen ist das zwischen zehn- und 50-mal grösser.»
Das sei bezeichnend für die Situation hierzulande, ergänzt Andreas Wolf, Geschäftsleiter der Stiftung Wirtschaft und Ökologie, die für das Naturschutzgebiet Chrutzelried verantwortlich ist.
«Die Naturschutzgebiete in der Schweiz sind relativ klein und auch sehr stark isoliert. Das kommt daher, dass rundherum die Verkehrswege immer mehr wachsen – mehr Strassen, mehr Eisenbahnlinien, aber auch die Siedlung wächst.»
In der kleinen Schweiz ist der Platz rar
Im Landwirtschaftsgebiet – etwa 200 Meter vom Chrutzelried entfernt – befindet sich ein anderes, noch viel kleineres Schutzgebiet. Hier zeigen sich konkrete Herausforderungen:
«Wie kommen die Amphibien von einem Schutzgebiet in das andere?», fragt Andreas Wolf. «Die Landschaft ist ausgeräumt. Es hat keine Strukturen, keine Hecke, keine Asthaufen, nichts. Da fehlt es einfach an Orientierung für die Amphibien und an Schutz vor Räubern auch.»
Langfristig können die Frösche und anderen Amphibien nur überleben, wenn sie wandern und sich mit anderen Populationen paaren können, betonen die Naturschützerinnen und Naturschützer. Deshalb laufen Gespräche mit Kanton, Gemeinde und Landwirtschaftsvertretern. Gesucht wird eine Lösung, um die Gebiete besser zu vernetzen, etwa mit Sträuchern und Hecken oder Ast- und Steinhaufen.
Urs Tester, der Ende Jahr bei Pro Natura pensioniert wird, hofft, dass es bald Fortschritte gibt im Chrutzelried und anderswo. «Es geht hier nicht alleine um einzelne Tier- und Pflanzenarten. Es geht auch um unsere Lebensgrundlage und um die Zukunft unserer späteren Generationen.»
Denn alle Lebewesen, ob Käfer, Hummel oder Frosch, hätten eine wichtige Funktion im Ökosystem. Und weil Moore CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen, leisteten sie einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.