Das bürgerlich dominierte Parlament hat die Revision der beruflichen Vorsorge angenommen. Wenn die Bürgerlichen bei dieser Reform aber eine Chance beim Volk haben wollen, sollten sie geschlossen sein und alle Wirtschaftsverbände hinter sich haben. Das ist aber nicht der Fall. Die Bauern haben schon vor der heutigen Abstimmung ihren Widerstand kommuniziert. Kurz vor der Abstimmung hat auch der Arbeitgeberverband aus der Romandie, das Centre Patronal, die ablehnende Haltung bekannt gegeben. Auch in den Tieflohnbranchen des Gewerbes (Gastro und Hotellerie) rumorte es schon vor dem heutigen Tag.
Zahlreiche Pensionskassenexperten sprachen sich in den letzten Tagen ebenfalls dagegen aus und sogar der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP spricht jetzt davon, dass die Vorlage mehr Nachteile als Vorteile habe. Dieser Widerstand zeigte sich auch in der Schlussabstimmung.
Auf der linken Seite bei der SP waren die Reihen geschlossen dagegen. Und auch die Grünen stimmten praktisch geschlossen dagegen.
13 Enthaltungen bei den Bürgerlichen
Interessant war es bei den Bürgerlichen. Zwar stimmte hier die grosse Mehrheit für die Reform. Unter den Bürgerlichen haben sich aber 13 der Stimme enthalten – darunter der Präsident des Gewerbeverbandes, Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi – oder waren gar nicht im Saal. Und drei stimmten sogar dagegen – nämlich der Bauernpräsident und Mitte-Nationalrat Markus Ritter, SVP-Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher und die bekannte St. Galler SVP-Nationalrätin Esther Friedli.
Worum geht es inhaltlich? Die Reform will den Umwandlungssatz senken. Weil damit aber die Renten sinken, sieht die Reform eine Kompensation vor. Die Menschen, die in den ersten 15 Jahren nach Inkrafttreten der Reform pensioniert werden, bekommen eine Kompensation von maximal 200 Franken. Allerdings bekommen nicht alle dieser Übergangsgeneration die Kompensation voll, sondern nur die Hälfte, diejenigen mit tieferen Renten. Und um die Renten von Personen mit tiefen Löhnen und die Renten von Frauen langfristig zu verbessern, sieht die Reform verschiedene Modifikationen beim Koordinationsabzug und der Eintrittsschwelle vor.
Mehr bezahlen für tiefere Renten?
Die Linke meldete schon lange Opposition an. Sie argumentiert, die meisten würden mehr bezahlen, für zum Teil sogar tiefere Renten. Die Gründe für den bürgerlichen Widerstand sind unterschiedlich. Für die einen ist die Vorlage zu teuer (Bauern, Gewerbe), andere kritisieren, dass die Umsetzung enorm komplex werde. Mit diesem Widerstand mancher Bürgerlichen und wichtiger Wirtschaftsverbände wird es enorm schwierig, eine Volksabstimmung zu gewinnen. Die AHV-Abstimmung im letzten Jahr haben sie knapp gewonnen, weil sie geschlossen gegen SP, Grüne und Gewerkschaften auftraten, das ist jetzt aber nicht der Fall.
So werden sich die Bürgerlichen zwei Fragen stellen müssen: Warum schaffen sie es nicht, eine Vorlage zu schnüren, hinter der sie geschlossen stehen können, und war es klug, dass sie sich von Anfang an gegen die Vorlage des Bundesrates (Kompromiss der Sozialpartner) gestellt haben?
Ohne hier inhaltlich nochmals auf den bundesrätlichen Vorschlag einzugehen, sei daran erinnert, dass Bundesrat Alain Berset nach dem Scheitern der letzten BVG-Reform den Sozialpartnern den Auftrag gab, einen Kompromiss auszuarbeiten, weil er erhebliche Zweifel hatte, dass das Parlament selber eine mehrheitsfähige Reform schnüren kann.
Zweifel sind angebracht, ob ihm das gelungen ist.