Manchmal sind Volkes Wege unergründlich. Da weibelt mit Albert Rösti einer der profiliertesten Verkehrspolitiker der Schweiz für den Autobahnausbau, der noch dazu jede «seiner» Abstimmungen gewonnen hat, seit er in der Landesregierung sitzt.
Und ausgerechnet in seinem Kerndossier muss der langjährige Autolobbyist eine böse Schlappe einstecken: Zum ersten Mal, seit der Fonds für die Nationalstrassen besteht, widersetzt sich das Volk einem Autobahnausbau.
Während die Ursachenforschung für die «Volksbremsung» beim Strassenbau läuft, ist eines unbestritten: Die Schweiz hat ein Stauproblem. Laut dem Bundesamt für Strassen (Astra) sind die Staustunden in den letzten 25 Jahren von jährlich 4300 auf 48'000 angewachsen.
Verkehrsspitzen mit «Staugebühr» brechen
Was tun? Bund und Kantone könnten versuchen, Ausbauprojekte einzeln voranzutreiben, wie es Verkehrsminister Rösti bereits angetönt hat. Allerdings könnten diese Pläne lokal ebenfalls am Volkswillen scheitern.
Denkbar wäre aber auch, einen grundsätzlich anderen Ansatz zu verfolgen: Nämlich den Verkehr auf bestehenden Strassen besser zu lenken, wie SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim ausführt. Stichwort: Mobility Pricing.
In der Theorie klingt das Prinzip einleuchtend. Aber können Verkehrsgebühren das Stauproblem wirklich lösen? In der Schweiz gab es schon diverse Studien zu Mobility Pricing.
Für die Schweiz wäre es ein visionärer und fortschrittlicher Entscheid, Mobility Pricing einzuführen.
Grundsätzlich herrsche unter den Forschenden Einigkeit, dass das System das Verkehrsaufkommen reduziere, sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim. «Und im Ausland gibt es inzwischen sehr viele Beispiele, die diese Studienresultate bestätigen: Wo Mobility Pricing eingeführt wurde, ist der Verkehr zurückgegangen.»
Metropolen wie London, Stockholm, Mailand, Singapur und bald auch New York kennen «Staugebühren» zu Hauptverkehrszeiten. Hier zahlen Autolenkerinnen und -lenker eine Gebühr, wenn sie in die Innenstadt fahren wollen.
Politischer Durchbruch für Mobility Pricing?
Vor fünf Jahren hat der Bund eine Wirkungsanalyse für Mobility Pricing am Beispiel der Grossregion Zug durchgeführt. Fazit: Zu Spitzenzeiten würde der Verkehr um etwa zehn Prozent zurückgehen. Das mag auf den ersten Blick ein bescheidener Wert sein. «Es reicht aber, damit der Verkehr flüssig läuft und die Reisezeit für alle kürzer wird», schätzt Heim.
Auf die politische Überholspur hat es Mobility Pricing in der Schweiz bislang nicht geschafft. Über die Gründe kann Wirtschaftsredaktor Heim nur mutmassen. «Wahrscheinlich wollte sich kein Politiker und keine Politikerin die Finger daran verbrennen. Denn bislang ging man immer davon aus, dass Mobility Pricing an der Urne keine Chance haben würde.»
Das Volks-Nein zum Autobahnausbau dürfte die Diskussionen um die «Staugebühr» neu beleben. «Der Moment, ein solches Konzept einzuführen, könnte nun gekommen sein», schliesst Heim. «Für die Schweiz wäre das ein visionärer und fortschrittlicher Entscheid. Aber Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass das Konzept funktioniert – wenn man denn will.»
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