So viele ukrainische Geflüchtete arbeiten bereits: Laut den neuesten Zahlen des Staatssekretariat für Migration (SEM) vom 6. Mai haben schweizweit mittlerweile 276 Geflüchtete eine Arbeit. Vor rund zwei Wochen waren es noch gut 200.
Die beim SEM jüngst verzeichnete Zunahme spüren auch die Kantone, wie eine Umfrage von SRF zeigt. Seit ungefähr zwei Wochen stelle man einen «deutlichen Anstieg» der Gesuche für Erwerbstätigkeit fest, heisst es etwa aus Freiburg. Ähnlich tönt es in Solothurn: Knapp die Hälfte der aktuell 28 Arbeitsbewilligungen habe man im Mai erteilt. Auch die Kantone Aargau, Bern und Thurgau bestätigen die Zunahme.
Insgesamt vermeldet das SEM per 10. Mai 47’980 registrierte Geflüchtete aus der Ukraine in der Schweiz. Davon haben 44’636 Personen den Schutzstatus S erhalten.
Das sind die Gründe für den jetzigen Anstieg: Das Amt für Wirtschaft des Kantons Bern erklärt die laufende Zunahme an Gesuchen damit, «dass Personen mit Schutzstatus S zunehmend organisiert sind und sich aktiv um Arbeit bemühen».
Diese Erfahrung macht auch Daniel Wessner, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Thurgau. Zunächst hätten sich die Geflüchteten um eine Unterkunft bemüht, medizinische Versorgung sichergestellt oder die Kinderbetreuung geregelt. «Jetzt, wo die Leute angekommen sind, wird der Arbeitsmarkt ein Thema.» Er rechnet damit, dass sich der starke Anstieg noch beschleunigen könnte. «Schweizweit könnten bald Geflüchtete im zweistelligen Tausenderbereich in den Arbeitsmarkt eintreten», sagt Wessner, Vorstandsmitglied im Verband der Schweizerischen Arbeitsmarktbehörden.
Bis eine berufliche Integration funktioniert, braucht es in den allermeisten Fällen mehr als zwei Monate.
Dass sich alles nicht von heute auf morgen organisieren lässt, beobachtet auch Mirjam Würth, Geschäftsführerin von «zRächtCho» – ein Verband, der Geflüchtete und Arbeitgeber in der Nordwestschweiz zusammenbringen soll. «Bis eine berufliche Integration funktioniert, braucht es in den allermeisten Fällen mehr als zwei Monate.»
Diese Herausforderungen haben die Kantone zu meistern: Die kantonalen Behörden müssen unter anderem prüfen, ob Geflüchtete nicht zu missbräuchlichen Konditionen angestellt werden. Dass dies vorkommt, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Thurgau, wo bislang 56 Bewilligungen erteilt wurden: «Drei Gesuche mussten abgelehnt werden, weil die orts- und branchenüblichen Lohnbedingungen nicht eingehalten wurden», hält das Amt für Wirtschaft und Arbeit fest.
Leiter Daniel Wessner hört von regionalen Arbeitsvermittlungszentren, dass sich sehr viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber explizit nach ukrainischen Stellensuchenden erkundigen. Aus Solidarität, aber auch aus Imagegründen. Letztlich zähle bei einer Vermittlung aber die Qualifikation, und nicht der Pass. «Wir müssen schauen, dass die Gleichbehandlung garantiert ist.»
Diese Hürden müssen Geflüchtete überwinden: Diplome müssen oftmals vom kyrillischen ins lateinische Alphabet übersetzt und anerkannt werden. «Das ist relativ aufwendig», sagt Mirjam Würth, Geschäftsführerin von «zRächtCho». Hinzu kämen beispielsweise mit Qualifikationen verbundene Sicherheitsbestimmungen, die eingehalten werden müssen – das erschwere oft den Quereinstieg.
Von Arbeitgebern höre sie immer wieder, mangelnde Deutschkenntnisse seien das Problem. In der Schweiz herrsche die Doktrin vor, dass man vor Stellenantritt nötige Sprachkompetenzen vorweisen müsse. Doch es könnte auch umgekehrt laufen, sagt Würth: «Wenn es mehr Arbeitgeber gäbe, die den Weg ‹first place, then train› einschlagen – also zuerst einstellen, dann ausbilden – könnte man wesentlich schneller vorankommen.»