Heute kam es im Nationalrat zum ersten Realitätscheck, als das rechte Lager von SVP und FDP mit vereinten Kräften auf einen härteren Asylkurs drängte. Die Schweiz dürfe dauerhaft keine Flüchtlinge mehr direkt aus Krisengebieten ins Land holen, präsentierte Nationalrätin Martina Bircher den Antrag der SVP. Nur so bekämen Kantone und Gemeinden etwas Luft.
Laut FDP-Vizepräsident Andri Sebastian Silberschmidt soll die Schweiz abgewiesene Eritreerinnen und Eritreer in ein anderes Land, beispielsweise nach Runda, ausschaffen: «Abgewiesenen Asylsuchenden soll eine faire Chance zum Aufbau einer neuen Existenz in einem sicheren Land geboten werden.»
Knappe Niederlage von SVP und FDP
Dies waren die zwei schärfsten Forderungen, und es kam ohne lange Debatte zur Abstimmung. Mit 97 zu 90 Stimmen lehnte es der Nationalrat ab, Flüchtlinge nicht mehr direkt ins Land zu holen. Die Forderung nach einer Ausschaffung in ein sicheres Drittland fiel mit 96 zu 91 Stimmen durch.
Die Mitte hat heute staatspolitische Verantwortung getragen.
Den Ausschlag für die knappe Ablehnung gab die Mitte-Fraktion, was im linken Lager SP-Fraktionschefin Samira Marti aufatmen liess: «Die Mitte hat heute staatspolitische Verantwortung getragen. Die Forderungen hätten nicht in der Tradition der Schweiz gestanden in einer Welt, wo so viele Menschen wie schon lange nicht mehr auf der Flucht sind.»
Entsprechend haderte SVP-Wortführerin Martina Bircher mit der Mitte: «Ich bin überzeugt, dass die Mitte in Bundesbern nicht ihre Wählerschaft vertritt.» Sehr viele von ihnen wünschten sich nämlich eine restriktivere Asyl- und Migrationspolitik, sagte sie und verwies auf ihre Erfahrungen aus der Bevölkerung und den Kommentarspalten.
Unsere Wählerinnen und Wähler stehen für Lösungen. Das bedeutet, dass sie umsetzbar sein müssen.
«Frau Bircher darf sagen, was sie will», stellte Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy fest und betonte: Die Mitte-Wählerschaft stehe für Lösungen. Das bedeute, dass diese umsetzbar sein müssten. Das sei die Abschiebung in ein Drittland nicht.
Von Fall zu Fall stimme aber auch die Mitte für Verschärfungen, ergänzte Bregy. So auch heute: Mit den Stimmen der Mitte gab die grosse Kammer dem Bundesrat den Auftrag, sich bei der EU für Massnahmen einzusetzen, dass Algerien mehr abgewiesene Asylsuchende zurücknimmt.
Ich bin guten Mutes, dass wir die Geschäfte dann schon bürgerlich in den Rat bekommen.
Auch wenn sich die Mitte bei den schärfsten Forderungen auf die linke Seite schlug, so waren die Mehrheiten doch knapp. Das lässt die SVP hoffen. Es gehe um fünf bis sieben Stimmen, und vor allem die vorberatende Kommission sei deutlich nach rechts gerückt, sagte Bircher: «Ich bin guten Mutes, dass wir die Geschäfte dann schon bürgerlich in den Rat bekommen.»
Entscheid zu Afghaninnen verschoben
Mit der Frage des Asylanspruchs für Frauen aus Afghanistan ist heute der wohl brisanteste Asylentscheid noch offengeblieben. Wegen der Unterdrückung durch die Taliban erhalten sie neuerdings grundsätzlich Asyl in der Schweiz.
Das rechte Lager bekämpft diesen neuen Kurs, wobei das Bundesverwaltungsgericht die Praxis kürzlich im Fall von zwei jungen Afghaninnen gestützt hat. Das Urteil gelte es genau anzuschauen und auch der künftige Asylminister Beat Jans soll sich noch äussern können, befand der Nationalrat und verschob den Afghanistan-Entscheid auf später. Auch hier spielte die Mitte-Links-Mehrheit, aber ebenfalls eher knapp.