Bis Ende Jahr sollte der öffentliche Verkehr (ÖV) in der Schweiz barrierefrei sein. So sieht es das Behinderten-Gleichstellungsgesetz vor, das vor fast 20 Jahren in Kraft getreten ist.
Doch das Ziel wird weit verfehlt: Erst 60 Prozent der Bahnhöfe sind so angepasst, dass Menschen mit Behinderungen sie selbstständig nutzen können, wie der Verband öffentlicher Verkehr, der Städte- und der Gemeindeverband bekannt gaben.
Mehrheit aller Stationen noch nicht barrierefrei
Im strassengebundenen ÖV wird Ende 2023 sogar erst etwa ein Drittel der schweizweit gut 23'000 Bus- und Tramhaltestellen den Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes entsprechen.
Gemäss den Verbänden ist im Kampf um Barrierefreiheit zwar schon viel erreicht worden – so seien stark frequentierte Bahnhöfe vorrangig ausgebaut worden, sodass 80 Prozent der Reisenden von den Umbauten profitierten. Trotzdem seien weitere Verbesserungen nötig.
Ersatzlösungen ab 2024 vorgesehen
ÖV-Unternehmen, Kantone, Städte und Gemeinden versprechen jetzt, dass 2024 Behinderte an allen noch nicht umgebauten Bahnhöfen und Haltestellen Ersatzlösungen finden, beispielsweise dank Hilfe durchs Personal oder dank Shuttle-Fahrdiensten. Die Kosten für Letztere werden von den Besitzern der Haltestellen getragen.
Der Dachverband der Behindertenorganisationen «Inclusion Handicap» spricht angesichts der massiven Verzögerung von einem «Affront». Betroffene seien frustriert, dass nach 20 Jahren zahlreiche Bahnhöfe und Haltestellen noch immer nicht behindertengerecht umgebaut seien.
Weitere Verzögerungen befürchtet
Auch befürchtet die Organisation, dass es zu weiteren Verzögerungen kommen könnte: «Das Bundesamt für Verkehr BAV hat seine Verantwortung als Aufsichts- und Finanzierungsbehörde während der 20-jährigen Frist des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes viel zu spät wahrgenommen», schreibt «Inclusion Handicap».
Die Behindertenorganisation fordert, dass der Bundesbeitrag für die Umbauten erhöht wird – «um die ab Januar 2024 gesetzeswidrigen Zustände im Schweizer ÖV so rasch wie möglich zu beseitigen».
Seit 20 Jahren wird umgebaut
Das Behinderten-Gleichstellungsgesetz trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Die Besitzer von Fahrzeugen und Haltestellen des ÖV hatten also 20 Jahre Zeit zur Umsetzung. Dass es damit nicht vollständig geklappt hat, führen die erwähnten Verbände auf hohe Kosten für bauliche Anpassungen zurück.
Auch seien die Verfahren oft kompliziert, etwa wenn eine Volksabstimmung für Kredite nötig sei. Und mancherorts seien die topografischen Verhältnisse schwierig. Weiter hätten die Bahnen mehr Bahnhöfe umbauen müssen als ursprünglich vorgesehen.