Im Kanton Wallis gibt es besonders viele rote Zonen – die gefährlichsten Gefahrenzonen. Etwa im Rhonetal, wo vielerorts Hochwassergefahr gilt. In diesen Gebieten ist es grundsätzlich verboten, zu bauen. Eine exklusive Datenanalyse der Universität Bern in Zusammenarbeit mit SRF zeigt, dass im Kanton Wallis in den letzten Jahren trotzdem sehr viel in roten Zonen gebaut wurde.
Rund 430 neue Gebäude sind hier in den letzten acht Jahren entstanden – mehr als doppelt so viele wie in der ganzen Restschweiz. In allen übrigen Kantonen wurden in der gleichen Zeit rund 170 Neubauten in der roten Zone erstellt.
Neubauten in der roten Zone in den letzten acht Jahren
Bauen erhöht Risiko für potenzielle Schäden
Der Hydrologe Andreas Zischg hat für SRF die Daten ausgewertet. Dass hier so viel gebaut wird, sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll: «Man nimmt das Risiko bewusst in Kauf.» Es sei ein politischer Entscheid, unter bestimmten Bedingungen Baubewilligungen in der roten Zone zu erteilen. Aber: «Angenommen, in 20 Jahren passiert tatsächlich ein Hochwasserereignis, dann ist es die grosse Katastrophe. Das zu vermeiden, wäre eigentlich der Sinn der Gefahrenzonenplanung.»
Die Baupraxis des Kantons Wallis ist zwar schweizweit einzigartig – aber legal. Seit über 15 Jahren sind Ausnahmen erlaubt. Die kantonale Verordnung dazu wurde im August erneuert. Erlaubt ist das Bauen unter bestimmten Bedingungen: So braucht es unter anderem ein Fachgutachten, einen Alarm- und Einsatzplan und bauliche Schutzmassnahmen. Ausserdem sind Ausnahmen insbesondere dann erlaubt, wenn im Gebiet eine sogenannt «statische» Überschwemmung droht. Das heisst, das Hochwasser entwickelt sich langsam, es bleibt mehr Zeit, zu evakuieren.
Bafu empfiehlt, Praxis zu stoppen
Das Bundesamt für Umwelt Bafu hat Kenntnis vom Ausnahmeregime des Kantons Wallis. In einem Brief schrieb das Bafu dem Kanton bereits vor zwei Jahren: «Wir empfehlen dem Kanton dringend, das Bauen in der roten Zone zu verbieten [...]» Denn eine der Rechtfertigungen für die Baubewilligungen in der roten Zone sei die Umsetzung des Hochwasserschutzprojektes, der 3. Rhonekorrektion. Und diese kommt nur schleppend voran.
Seit Jahren ist das Projekt von allen Stellen abgesegnet. Passiert ist allerdings wenig. Vor Kurzem hat die Walliser Regierung eine Redimensionierung des Projekts beschlossen, was bei Experten und beim Bund für Kritik sorgte.
Gemeinde verlässt sich auf den Kanton
Trotz Empfehlung des Bundes wurde im Wallis aber weitergebaut. Ein Viertel aller Gebäude schweizweit in einer roten Zone entstanden in einer Gemeinde – in der Gemeinde Fully. Die Gemeindepräsidentin Caroline Ançay-Roduit sagt, bei den Baubewilligungen verlasse sie sich auf die Vormeinung des Kantons, der die Baugesuche jeweils prüft: «Wenn der Kanton empfiehlt, dass ein Gebäude nicht erstellt werden soll, werden wir das Baugesuch nicht autorisieren.»
Verantwortlich für die Prüfung der Baugesuche ist die Dienststelle von SVP-Staatsrat Franz Ruppen. Er sagt, die Sicherheit stehe an oberster Stelle. Aber: «Es wäre gar nicht möglich, in einer Region wie Fully Raumplanung zu machen, wenn man nicht in der roten Zone bauen könnte.» Ausserdem habe man die Gesetzgebung verschärft und werde in Zukunft jedes Baugesuch genau prüfen.