Unzufrieden über den heutigen Zustand ist zum Beispiel Michael Schaepman, der Rektor Universität Zürich. «Die Situation ist untragbar. Wenn es so weitergeht, nehmen wir in Kauf, dass wir im internationalen Ranking tauchen.» Denn, wenn die Schweiz weiterhin keinen vollen Zugang zum europäischen Forschungsprogramm habe, würden die hiesigen Universitäten schlechter beurteilt.
Bernhard Ehrenzeller, der Rektor der Universität St. Gallen, berichtet von einem Treffen am WEF von Schweizer Universitäten mit Vertretern der Wirtschaft und des Bundes. Thema sei gewesen, wie die Universitäten zu verstärkter Innovation in der Schweiz beitragen können. «Ich war erstaunt und habe das auch gesagt: Das Verständnis in der Politik für die Lage der Universitäten und der Forschung ist nicht da, wo es sein sollte.»
Ehrenzeller erwartet von der Politik mehr Verständnis für den Wissenschaftsstandort. «Dieser ist an sich so stark, dass wir politisch alles tun müssten, damit er gestärkt und nicht nur stabilisiert wird – oder wir sogar in Kauf nehmen, dass der Forschungsstandort Schweiz erodiert.»
Schweizer Unis bleiben aussen vor
Bereits heute könne die Schweiz bei grossen europäischen Forschungsprojekten praktisch nicht mehr mitmachen. Was das konkret heisst, erklärt der Rektor der Universität Zürich: «In grossen Projekten können wir nicht mehr den Lead übernehmen und damit nicht mitgestalten.»
Grosse Themen würden in grossen Konsortien gestaltet, erklärt Schaepman. «Dort können wir heute nur noch mitmachen, wenn der Leiter dieses Konsortiums bestätigt, dass innerhalb von Europa kein anderer Wettbewerber das so gut kann wie die Universität aus der Schweiz.»
Alle Argumente wurden vorgebracht. Alle sind genügend informiert, wo das Problem liegt. Aber es geschieht zu wenig.
Wenn man in Brüssel aber der Meinung ist, dass eine andere europäische Universität das ebenso gut kann, scheitert die ganze Eingabe. Deshalb sagt Schaepman: «Unseren Mitgesuchstellern wird bereits gesagt, wenn das Konsortium geformt wird: Ihr müsst euch überlegen, ob ihr das Risiko eingehen wollt. In vielen Fällen ist die Antwort: Wir nehmen euch nicht an Bord, weil das Risiko zu gross ist.»
Dieser Ausschluss aus den grossen Projekten führe zu einem weiteren Problem, sagt der Rektor der Universität Genf, Yves Flückiger. Genf sei etwa Weltspitze in der Quantenphysik: Weil die Schweiz aber aus dem entsprechenden Programm rausgeflogen sei, baue ein in Genf gegründetes Start-up seinen Betrieb nicht in Genf aus, sondern in Wien, mit einigen hundert neuen Arbeitsplätzen.
Weiter würden die Schweizer Universitäten als Arbeitgeber für ausländische Forschende weniger attraktiv, betonen die Uni-Rektoren. Zudem hat die EU die Schweiz eben erst aus dem Gremium ausgeschlossen, das den Ausbau der wissenschaftlichen Infrastrukturen koordiniert.
Der Rektor der Universität Zürich sagt mit Blick auf die Zukunft: «In ein, zwei Jahren werden wir einen massiven Rückgang des Zugangs zu Infrastrukturen bemerken.»
Der Rektor der ETH Lausanne, Martin Vetterli, spricht von einem Kollateralschaden, den die Wissenschaft bezahlen müsse. Die politische Diskussion könne er nicht kommentieren. Ob er als ETH-Rektor und damit als Bundesangestellter von seinem Arbeitgeber einen Maulkorb erhalten habe, will er nicht beantworten.
Etwas direkter ist der Chef der Universität Zürich, Matthias Schaepman: «Alle Argumente wurden vorgebracht. Alle sind genügend informiert, wo das Problem liegt. Aber es geschieht zu wenig.»