Vor gut einem Jahr hat die EU die Schweiz aus dem europäischen Forschungsprogramm Horizon Europe ausgeschlossen. Wissenschafter in der Schweiz schlugen Alarm: Ohne Horizon verliere der Schweizer Forschungsstandort an Bedeutung und gute Köpfe. Das Beispiel eines jungen Forschers zeigt nun, wie sich der Ausschluss konkret auswirkt.
Herber Rückschlag für jungen Neurobiologen
Adrian Wanner ist Neurobiologe am Forschungsinstitut Paul Scherrer: «In meiner Forschung geht es darum, Schaltkreise im Gehirn zu rekonstruieren, um zu verstehen, wie Informationen verarbeitet werden. Im gesunden, wie auch im kranken Hirn.»
Die internationale Karriere des jungen Forschers erlitt kürzlich einen Rückschlag: Unter Tausenden von Bewerbern und Bewerberinnen erhielt er zwar eines der begehrten Stipendien des Europäischen Forschungsrates ERC. Doch er musste die zweieinhalb Millionen Euro ablehnen, weil die Schweiz nicht mehr beim Horizon-Förderprogramm der EU dabei ist. Damit gehe vor allem das hohe Prestige dieser internationalen Auszeichnung verloren, sagt Adrian Wanner: «Gerade bei jungen Forschern wie bei mir ist es eine sehr wichtige Auszeichnung. Ich darf sie so nicht mehr führen.»
Diese etwas konservative Haltung, die viele nationale Funding-Agencies haben, ist für kompetitive und zukunftsgerichtete Forschung schwierig.
Alles sei komplizierter geworden, sagt der Neurobiologe, die fehlende internationale Vernetzung sei ein grosser Verlust. Statt sein Projekt selbst zu leiten und mit Kolleginnen und Kollegen aus Europa umzusetzen, muss sich Wanner nun auf die Schweizer Forschungsprogramme verlassen. Der Schweizerische Nationalfonds jedoch hat sein Projekt bereits einmal abgelehnt. Zu ambitioniert, so die Begründung: «Diese etwas konservative Haltung, die viele nationale Funding-Agencies haben, ist für kompetitive und zukunftsgerichtete Forschung schwierig.»
Alles beim Alten dank Übergangsfinanzierung?
Trotz dieser Nöte eines jungen Wissenschaftlers scheint der Schweizer Forschungsplatz noch nicht am Ende zu sein. Schweizer Forschende können immer noch bei zwei Dritteln der Ausschreibungen von Horizon Europe mitmachen, weiss das zuständige Staatssekretariat für Forschung und Innovation. Das Geld für die Teilnahme erhalten die Schweizer statt aus Brüssel direkt von Bern.
Der Bundesrat hat eine Übergangsfinanzierung von 1.2 Milliarden Franken bereitgestellt. Trotzdem ist die Situation nicht so wie vorher. Mascha Zurbriggen vom Staatssekretariat für Forschung und Innovation sagt: «Auch dort, wo die Forschungen aus der Schweiz zugelassen sind, haben sie nicht die gleichen Rechte wie ihre Partner.»
Die Forschenden aus der Schweiz könnten keine Projekte leiten und verlören damit viel Prestige und Gestaltungsmöglichkeiten, sagt Zurbriggen: «In unserer Umfrage berichten Forschende auch, dass deswegen Projekte abgebrochen wurden oder dass der Zugang zu internationalen Netzwerken schwierig wird.»
Bund plant schon weitere Übergangsmassnahmen
Ob der befürchtete «Braindrain», der Wegzug von Wissenschaftlern passiert, kann Mascha Zurbriggen nicht genau sagen: «Wir haben keine Zahlen dazu, wie viele Forschenden aufgrund der Nicht-Assoziierung ins Ausland abgewandert sind. In unserer Umfrage haben aber manche Teilnehmende berichtet, dass es aktuell schwieriger ist, Personal zu halten oder neu zu rekrutieren.»
Auch dort, wo die Forschungen aus der Schweiz zugelassen sind, haben sie nicht die gleichen Rechte wie ihre Partner.»
Zurbriggen hofft auf eine baldige Wiederaufnahme der Schweiz ins Förderprogramm der EU. Sehr optimistisch scheint der Bund jedoch nicht zu sein. Der Bundesrat hat bereits im Mai Übergangsmassnahmen für die Ausschreibungen der EU im nächsten Jahr angekündigt.