Die Schweiz ist seit dem Scheitern des Rahmenabkommens nicht mehr Mitglied bei «Horizon Europe» – dem Forschungs- und Innovationsprogramm der EU. Das hat Folgen: In einer Studie des Bundes gab jüngst eine Mehrheit der befragten Forscherinnen und Forscher an, seit dem Ausschluss eine «Verschlechterung» in ihrer Arbeit wahrgenommen zu haben.
Ähnlich sieht es in Grossbritannien aus. Gemäss Expertenaussagen droht das Land seinen internationalen Spitzenplatz in der Forschung zu verlieren.
Die Forschungs-Community klagt (fast) unisono
Knapp 900 Forschende und Innovatoren aus dem universitären Umfeld, von Unternehmen und weiteren Institutionen hatten im Februar an einer Umfrage des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) teilgenommen. Dieses wollte wissen, wie sich der Status der Schweiz als sogenanntes «nicht assoziierten Drittland» auf ihre Arbeit auswirkt.
Die Resultate fielen ernüchternd, aber nicht überraschend aus, wie Mediensprecherin Simone Keller vom SBFI auf Anfrage erklärt. Sie betont vor allem den Aspekt der Vernetzung. So hätten sich besonders viele Forschende dahin gehend geäussert, dass ihre internationalen Netzwerke kleiner geworden sind.
Auswirkungen hat dies neben den persönlichen Karrierechancen auch auf die Forschung selbst. Weil hiesige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwar weiterhin an sogenannten Verbundprojekten von Horizon Europe teilnehmen dürfen, diese aber nicht leiten dürfen, käme es im schlimmsten Fall gar zu Abbrüchen. «So kann viel Zeit, Geld und Prestige verloren gehen», so Keller.
Auch die «Supermacht» Grossbritannien leidet
Ähnlich stellt sich die Situation in Grossbritannien dar. Nach dem Brexit ist auch die Heimat der beiden Eliteunis Cambridge und Oxford nicht mehr Teil der europäischen Forschungszusammenarbeit. Martin Smith vom Bildungs-Think-Tank «Wellcome» bedauert dies und sieht Parallelen zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich.
Die Politik steht der Wissenschaft im Weg.
«Wir hoffen, dass Grossbritannien bald wieder ein Mitglied von Horizon wird», erklärt er auf Anfrage. Eine baldige Einigung sei zurzeit aber nicht in Sicht.
Grossbritannien versuche zwar international den Status einer «Bildungs-Supermacht» zu halten. Doch dies dürfte aus der Sicht Smiths längerfristig zum Scheitern verurteilt sein, sollte man aus Horizon ausgeschlossen bleiben. Die Strahlkraft des Programms sei einfach zu gross. «In Zukunft könnten auch Länder wie Südafrika oder Kanada einsteigen. Ob Grossbritannien da mithalten kann, ist fraglich.»
Nationale Programme helfen – aber wenig
Aus diesem Grund macht «Wellcome» Druck bei der EU und den nationalen Regierungen. Das Institut ist einer der Unterzeichnenden der Initiative «Stick to Science», zu der auch mehrere Schweizer Hochschulen gehören. «Wir glauben - wie unsere Schweizer Kolleginnen und Kollegen - dass Forschung keine nationalen Grenzen kennt. Gerade angesichts von Pandemien und dem Klimawandel muss es im Interesse aller sein, in einem möglichst grossen Ökosystem zu forschen.»
Derweil versuchen sowohl die Schweiz als auch das Vereinigte Königreich mit Ersatzprogrammen den Wegfall des «Horizon-Netzwerks» aufzufangen. Doch die Resultate der SBFI-Umfrage zeigen nicht zuletzt, dass diese von den Forschenden nicht als vollumfänglicher Ersatz des wegfallenden europäischen Netzwerks wahrgenommen werden.